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[ Band 1 Brief 62: Caroline an Humboldt [Burgörner], Sonntag morgen, 27. Juni 1790 ]
62. Caroline an Humboldt [Burgörner], Sonntag morgen, den 27. Juni 1790 Gestern abend gegen 11 Uhr bekam ich noch Deinen Brief, mein teurer Wilhelm. Nein, Du bist mir nichts schuldig, Du Lieber verbreitest ja Glück und Seligkeit über jeden Moment meines Lebens. Ich werde Dir heute wenig schreiben können. Carl ist hier, und ich will so viel bei ihm sein als ich kann, und morgen bin ich nicht zu Hause. Gestern nachmittag kam Carl. Wir hatten uns Rendezvous in der Laube gegeben, und er fand mich da. Er ist ruhig, heiter, glücklich. Es machte mich sehr glücklich, ihn wieder in meine Arme zu schließen. Du teilst alles mit mir, liebstes Herz, aber vergib, diese Freude, Euch beide so glücklich zu sehen, kann meine Seele allein nur ganz auffassen, und mir dünkt sie so neu, als hätte sie noch kein Wesen vor mir emp- funden. Ja, das mußte so sein, so verwirrt, so verschlungen, und unsre Seelen dennoch so kindlich vertrauend der ewigen Güte, fest hangend allein an Wahrheit und Liebe, um daß diese himmlischen Blüten hervorgehen konnten. Ich bin heiterer gestimmt, als ich es seit acht Tagen war. Die Nähe eines liebenden Wesens löst meine Seele. Ach, ich bin wohl ein verwöhntes Kind, wie mußt Du tun, Du bist so allein. Zwar Jette und Brendel, — aber ich fürchte, sie verstehen Dich nur selten, Du erscheinst ihnen fremd in vielen Gestalten Deiner Seele — laß es Dir nicht bang sein, wenn Du mich auch zuweilen trüb siehst, weißt Du nicht die Stelle von Goethen? »Himmelhoch jauchzend, zum Tode betrübt, Glücklich allein ist die Seele, die liebt.« Da hast Du alles, was ich Dir sagen könnte, in wenigen Worten. . . . Ich will sehen, wie wir’s machen mit dem Sternbild. Dezidieren kann sich’s nicht vor Michaelis, wo das nächste General- 184