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[ Band 1 Brief 55: Caroline an Humboldt [Burgörner], Sonntag morgen, den 13. Jun. 1790 ]
blühend Paradies verheere — aber es ist so im Menschen — er wird schneller vertraut mit dem Kummer als mit dem Glück. Ich weiß nicht, in welchem Dichter ich einmal so eine hübsche Stelle gefunden habe, daß sie mir im Gedächtnis geblieben ist: »Entra l’uom’ allor che nasce in un mar di tante pene che s’avvezza dalle fasce ogni affanno a sostener; ma per lui si raro è il bene ma la givia è cosi rara che a soffrir mai non impara le sorprese del piacer.« *) Ja, die Ruhe und die Sicherheit des Zusammenseins wird meinen Gefühlen eine noch schönere Farbe geben, ein süßeres Leben über mich ausgießen — ach, ich bin ein Kind — ich kann mir’s möglich denken, wie ich im Anfang unsres vereinten Lebens durch einen Laut Deiner Stimme, eine Umarmung mich werde überzeugen müssen, daß mein schönes Dasein mehr als Traum, daß es Wahr- heit und Wirklichkeit ist. — Lieber, Bester, ja ich verstehe Dich gewiß in dem vollsten Sinne — Dein Wesen ist eins der wandel- barsten, das ich je gesehen, es nimmt hundert verschiedene Gestalten an, aber die Verbindung unter all diesen geistigen Gestalten ent- ging mir noch nie, ich darf es sagen. Mich selbst fühlt ich immer frei vor Dir, verstanden ach wie oft ohne Hilfe der Sprache! — Und dann, wenn ich redete, der Sinn meiner Worte, wie strahlt er mir aus Deinem lieben Auge zurück. — Ein einzigmal erinnere ich ——— *) Etwa: Der Mensch versinket in ein Meer der Schmerzen, Sobald ihm irdisch Dasein aufgegangen, Und alle Leiden sind vertraut dem Herzen, Das in der Wiege schon davon umfangen. Die Freuden gleichen fernen, fremden Sagen, Nie lernt die Überraschungen des Glücks er tragen. 162