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[ Band 1 Brief 50: Humboldt an Caroline [Berlin], den 18. Mai 1790 ]
Mit Dir sprach ich noch von so wenigen Dingen, aber noch fiel mir nie eins ein, das mich interessiert hätte und worüber ich anders mit Dir sprechen mußte, als ich für mich dächte. Es ist auch kein Mensch, der mich so kennt wie Du. Das seh ich aus jedem Deiner Briefe. Über so viele Seiten an uns redeten wir noch nie miteinander, dennoch bin ich beinahe überzeugt, daß wir auch von diesen uns kennen. Aber eine himmlisch schöne Freude wird’s mir noch werden, über so vieles mit Dir zu reden, meine Ideen mit den Deinen auszuwechseln. So oft wir uns jetzt sahen, genossen wir immer das Höchste, was die Liebe zu geben vermag, aber nun hat sie noch andere Geschenke, die ruhigeren und doch gleich süßen Freuden des traulichen, leichten Umgangs. Was uns jetzt eins in dem andern nur noch so in seiner ganzen ungeteilten Fülle aufgenommen be- seligte, wird sich nun unserm Auge mehr und klarer entwickeln. Aber wozu schildere ich, was keine Sprache ausdrückt und Dein Herz ja wie das meinige fühlt. . . . . . . . . Überhaupt aber bin ich, wie ich selbst fühle, zu fordernd im Umgang. Du, Caroline, die Forster habt mich verwöhnt. Ich finde Euch nicht wieder, und meine Erinnerung läßt mich doch ewig mit Euch Vergleichungen anstellen. Daher kommt’s dann, daß ich hier im Umgang weit weniger genieße, als mir sonst die Menschen geben würden, die ich sehe. Und doch ist mir das so lieb, denn ich fühle dabei so lebhaft, daß, wenn ich auch vergessen könnte, daß ich Dich und Du mich liebtest, ich doch nur einzig mit Dir recht glücklich wäre. Ach! ja nur einzig mit Dir. Caroline entflieht mir oft zu schnell, bei der Forstern fühlt ich manchmal, daß ich sie nicht verstand, und dann wieder umgekehrt. Nur Dir konnt ich immer so gleich bleiben, und Du bliebst es mir immer! Ach! Lina, so führt mich alles, alles auf Dich zurück. Und Dich werd ich nun bald besitzen, bald mein nennen. O! gütiges Schicksal, womit verdient ich dies unnennbare Glück! — 148