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[ Band 1 Brief 46: Humboldt an Caroline [Berlin], 1. Mai 1790 ]
46. Humboldt an Caroline [Berlin], 1. Mai 1790 Denke nur, wie ich B[urgörner] verließ. Besorgnisse für Dich, dumpfe, unentwickelte Gefühle in mir, Träume allbeseligenden Glücks, aus denen ich zu hoffnungsloser Wirklichkeit erwachte. Das dauerte fort, bis ich nach Erfurt zurückkehrte, und doch war es auch da noch nicht anders. Ich konnte die Gewißheit Deiner Liebe noch nicht fassen. Wohl sah ich viel in einzelnen Momenten, unendlich viel in dem Augenblick, da Du mit so unnachahmbarem, innigem Ausdrücke mir sagtest, daß es Dich beglücken würde, mich Dein zu nennen. Aber alles das war ohne Liebe, ohne das starke, einzige Gefühl möglich, wovon die Ahndung doch noch ewig meine Hoffnung umschwebte, konnte entstehen aus dem Wunsch eines heitern, glücklich hinfließenden Lebens froher Tage für uns beide. Und nun fühlt ich doch Kraft in mir, mehr zu genießen, wenn auch nicht mehr zu geben, fühlt ich doch, daß mein Herz gemacht war, einen andern Gang zu gehen, den Gang, nur der Liebe alles, alles zu danken. Ach! und daß es immer mir war, als hätt ich auf diesem Gange Dich, Lina, nicht gefunden. O! verzeih mir, teures, einzig geliebtes Mädchen, aber wenn Dein Bild so vor mir stand, wie ich’s mir dachte, wie ich’s in jedem Augenblick sah, in all der namenlosen Schönheit und Grazie und Größe — dann konnt ich den Gedanken nicht fassen, daß Du mich so lieben könntest, als ich Liebe — o! da nur einzig von Dir — bedurfte. Und nun reihten sich an diese Zweifel Besorgnisse für Dein Glück, ich kannte Dich zu gut, auch Dich konnte nur Liebe beglücken, die Dir begegnete, — o! für die war ich sicher, denn die fühlt ich ja so heftig, so ausschließend einzig in meinem Herzen. Jetzt, da unsre Gefühle so gleich sind, da die Seele keines von uns mehr einen unbefriedigten Wunsch an die Seele des andern tut, jetzt ist es so schön zu sehen, wie langverhalten 138