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[ Band 1 Brief 44: Humboldt an Caroline Berlin, April 1790 ]
Wer weiß also, was noch daraus wird. Ich gebe mir aber alle Mühe, sie dabei zu erhalten. Ich unterrichte sie nach einer neuen Methode. Die möcht ich gern bei ihr probieren, um es Dir künftig recht zu erleichtern. Denn nicht wahr, Du lernst Griechisch? Ich habe der Hagen ein Buch gegeben, woraus wir lesen, woraus ich zuerst lernte. Es war mir merkwürdig, als ich’s wieder in die Hand nahm. Ich hatte so eine traurige frühe Jugend. Die Menschen quälten mich; ich hatte keinen, der mir etwas war, oder wenn ich mir auch einmal einen so idealisierte — so konnt ich nicht mit ihm umgehen. Das gab mir so eine eigentliche Liebe zu den Büchern, und in das trockenste Studieren mischte sich so eine Empfindung, so eine Anhänglichkeit, die aus Bitterkeit gegen die Menschen entsprang und oft nicht ohne Tränen war. Das empfand ich beim Griechischen am meisten, weil man immer schalt, daß ich zu viel Zeit darauf verwendete, und ich wirklich viel darum litt. — Verzeih diese Possen. Aber die Erinnerung von dem allen lebt so oft in mir auf; und ich finde im Grunde so wenig Unterschied zwischen dem, was ich da war und was ich jetzt bin. Meine Lagen haben wunder- bar auf mich gewirkt. Ich schrieb Dir neulich von der Golzen. Das ist nämlich das Mädchen, das die Marotte gehabt hat, sich in mich zu verlieben. Jetzt geht meine Mutter und mit ihr meine Cousine aufs Land. Und ich sah sie immer bei meiner Cousine. Diese Gelegenheit hört nun auf, das macht sie wieder sehr unglücklich. Ich weiß nicht, was ich mit ihr anfangen soll. Dazu kommt noch, daß ihr Vater mit in die Campagne geht, und ihre Mutter liebt sie nicht. Weißt Du denn gar kein Mittel, wie man so ein Verliebtsein heilt? Kann der Koadjutor nicht unsre Pläne bei Papa befördern? Ich muß nun schließen. Lebe wohl, meine holde, traute Lina. O! wie begierig bin ich jetzt auf Deine Briefe. Ach, wenn mir ein froher bald sagte, daß Du künftigen Sommer mein bist, ich 134