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[ Band 1 Brief 43: Caroline an Humboldt Erfurt, Sonntag, den 25. April 1790 ]
sind mit Versicherungen seiner Liebe, Zärtlichkeit und dergl. aus- gespickt — wie kann man so schreiben und im reellen Leben so ganz anders sein? — Ich habe diesen auffallenden Unterschied schon bei so vielen Menschen beobachtet und doch nicht immer Verstellung gefunden. Sie betrügen sich selbst, und ich meine, der Grund liegt in einer reizbaren Phantasie. — Ach, liebster Wilhelm, ich bin sehr trübe. Papas abschlägige Antwort hat mich ganz verstimmt. Wie kann man auch so sein? — Ich begreife sehr gut, wie es Menschen gibt, die keinen eigenen Genuß daran haben, wenn sie andern Freude machen, aber ich be- greife nicht, wie es einem leidlich wohl sein kann, wenn man außer sich ein Glück, eine Freude stört. Unsre Abreise ist noch nicht bestimmt, lange wird’s nun aber wohl nicht mehr dauern, da die Witterung so schön ist, und Papa eilt nun, Auleben und Burgörner zu verpachten. Das ist seine Entschuldigung, wenn ihm Dalberg seine Eile vorwirft, ob er gleich im Grunde positiv keine Änderung mit seinen Pächtern vornehmen wird. Auleben ist mir nun vollends fatal, so eine dumme, leere Gesellschaft im Orte selbst, die Papa die Marotte hat, immer zu bitten und sich mit mir abzugeben. Man hat nicht einmal die Freude, allein spazieren zu gehen, denn allerwegens stößt man auf die Menschen, die den ganzen Tag herumlaufen und denen man was Neues ist, weil man selten hinkommt. Da heißt es denn faire bonne mine à mauvais jeu. Wenn mich nur Papa, solange er in Auleben ist, hier oder bei Caroline ließe. Es tut mir auch gar weh, von Dalberg zu gehen. So ein Wesen findet man nicht alle Tage, man wandelt vor ihm, wie vor einem guten Genius. Möchten wir einmal in seiner Nähe leben. 128