< zurück Inhalt vor >
[ Band 1 Brief 39: Humboldt an Caroline Berlin, den 9. April 1790 ]
auch nur ahndete, griff so in meine Seele ein, daß es nie das Ver- gnügen des Neuen, aber immer so die überschwengliche Freude des Wiedersehens eines alten Freundes für mich hatte. Ahndung hatte ich von allem, was ich in Dir sah, aber es schwebte nur so blaß meiner Idee vor, so in der Wirklichkeit dargestellt hatte ich nie es gefunden. Aber wirst auch Du nicht aufopfern müssen, meine Lina? Nicht müssen, wollen wird Deine Liebe. Aber nein, Du könntest mir nicht das Glück geben, wenn Du nicht selbst es genössest, nicht dies Gefühl, das meine Seele durchströmt, wenn es nicht in Dir gleich stark wäre. Fändest Du aber doch etwas — o! dann kenne keinen Rückhalt aus keinerlei Grund. Ich lebe ja nur für Dein Glück — denn ohne das gibt es in der ganzen Dauer meiner Existenz keines, schlechterdings keines für mich. . . . . 40. Caroline an Humboldt Erfurt, 14. April 1790 Mein Herz geht immer auf, teurer Geliebter, wenn es sich in dieser lieben Unterhaltung vor Dir ergießt. O ich fühl es, mein ganzes Wesen wird schöner in Deiner Nähe auf- blühen, die ewige Harmonie der Dinge mich inniger ansprechen, wenn so gar nichts Verworrenes mehr in mir ist, und ich die Nähe eines Wesens ahnde, in das das meine süß, namenlos, in ewig steigenden Gefühlen versinkt. Ach, wie könnte in diesem Herzen etwas Verschlungenes sein, das Deine Liebe nicht löste? Deine Liebe ist ihm ja Fülle des Lebens. O Wilhelm, Wilhelm, Du hast Dir meine Seele neu erschaffen, was weniger und was mehr konnt ich Dir geben, als sie selbst! Ja Dein, o Du Lieber, bin ich so ganz, daß ich mein eigenes Wesen nur wiederfinde in Dir, daß ich keine Existenz mehr ahnde, als die Deine Liebe mir geben 120