< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 1 Brief 25:    Humboldt an Caroline    [Berlin], 20. Februar 1790   ]


Du schreibe gewiß. Du mußt doch Deine Freude bezeugen, so eine
gar nicht widersprechende Schwiegermutter zu bekommen.
Aus Papa werde ich nicht recht klug. Immer ist mir’s doch,
als ist er mit der Sache nicht recht zufrieden. Ob es der Aufschub
oder was es ist! Schon wahre Schwiegersohns-Geduld ist’s wahr-
lich doch, daß ich nun heute schon den vierten Brief schreibe, ohne
eine Zeile Antwort erhalten zu haben. Das mußt Du nicht leiden.
Der Herzog von Weimar hat, soviel ich weiß, nichts hier ge-
sagt. Er ist immer sehr freundlich gegen mich, hat aber eben nicht
mit mir gesprochen.
So oft er mich mit einer Dame reden sieht, sieht er mich voll
Verwunderung an, als wollte er sagen: »Tun Sie denn das auch?«
Bei seinem Hofe ist ihm das nicht vorgekommen.
Mon frère’s Brief hat allerdings gute Wirkung getan. Kunth
hat mir gestanden, daß er gleich daraus Verdacht geschöpft. Apropos
von Kunth. Als ich mit meiner Mutter zu Rande war, erklärte ich’s
ihm. Er wünschte mir mit ziemlicher Kälte Glück und sprach dann
von dieser und jener Schwierigkeit. Du kannst denken, wie lieb es
mir war, ihm nicht vorher davon gesagt zu haben. Doch vielleicht
äußerte er sich nur so, weil er der letzte war, der es erfuhr.
Lebe nun wohl, meine teure, geliebte Seele! O! auch Du,
mein Einziges, mein Alles. Könnt ich Dich nur einmal sehen! ein-
mal mit der Innigkeit an mein Herz drücken, mit der es sich nach
Dir sehnt! O! Lina, wenn es uns nur wird, das Glück, uns zu
besitzen, nur einen Augenblick wird. Ich fordere dann nichts von
dem zweiten! — Lebe wohl.

                                                                 91