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[ Band 1 Brief 21: Caroline an Humboldt [Erfurt], den 27. Januar 1790 ]
für eine schöne Aussicht dies für mich ist. Ach, mein Wilhelm, Du wirst unter uns sein. Die Beschreibung Deiner Haus- und Tischgenossen hat mich einen Augenblick lachen machen, aber wenn ich bedenke, daß Du täglich mit diesen Menschen leben mußt, so ist mir nicht heimlich dabei. Die Auslegung von Kunth über mein Stillschweigen ist gött- lich, so schön, daß ich mich nicht erwehren konnte, sie der Madame*) selbst mitzuteilen, die recht herzlich darüber gelacht hat. Sollte es aber wirklich wahr sein, daß Mama noch keinen Verdacht schöpfte? Ihre Äußerungen, Kunths Lob und das schnelle Fragen der Frau v. L[engefeld] nach mir wären mir dann unerklärbar. Nun, qui vivra, verra. Im Grund kann Mama auch keine so reellen Schwierigkeiten legen, daß sie nicht zu heben wären. 22. Humboldt an Caroline [Berlin], den 29. Januar 1790 Meinen herzlichsten, innigsten Dank für Deinen letzten Brief, meine Lina. O! wenn Du wüßtest, was Deine Briefe mir jetzt sind, wie ich sie lese und wieder lese, wie mein Herz in ihnen Fülle sucht, wenn alles um mich her eine so schreck- liche Leere in mir hervorbringt. Und dann einzelne Stellen! Wie ich sie auswendig weiß, wie ich sie küsse! Ach, Lina, es ist mir oft eine sehr, sehr süße Idee, daß ich keine, gar keine andre Freude genieße, als die Du mir gibst. Schon mehr als einmal in meinem Leben war ich sehr glücklich, aber es war immer das Glück, das die süße Wehmut gewährt. Den ganzen völlig frohen, schönen, hohen Genuß des Daseins kannt ich nur an Deiner Seite, in Deinen Armen. Auch in Dir war er so stark, und das allein ist es, was in mir ——— *) Madame Dessault, Gouvernante im Dacherödenschen Hause, siehe auch S. 86. 80