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[   Band 1 Brief 21:    Caroline an Humboldt     [Erfurt], den 27. Januar 1790   ]


Gute so selbständig, so ewig dasselbe schien, durch welche Laby-
rinthe es sich auch durchwinden müsse, und in welchen Gestalten es
auch erscheine.
Was Du über Carl sagst, ist sehr wahr. Bei seiner unend-
lichen Liebe zu mir, bei aller Zärtlichkeit meines Herzens für ihn,
bei dem vollen Gefühl seines Wertes konnte ich mir, als die Idee
einer Verbindung noch unter uns existierte, nicht verhehlen, daß,
um die schöne Überzeugung seines vollen Glücks in mir zu tragen,
es mir vielleicht hie und da eine Aufopferung kosten könnte. Nie
hatte ich die entfernteste Ahndung darüber in unserm Verhältnis,
weil Du so wie ich, so lebendig fühlst, daß alles dem individuellen
Leben nachstehen muß, und daß die reizendste Blüte des Lebens
nur in dem Odem der höchsten Geistesfreiheit aufblüht. Selig, wer
das sich so sagen kann, wie wir, und dabei fühlen, was wir fühlen,
ein Zusammenfließen unserer Empfindungen, das Berühren unserer
Geister und unserer individuellsten Gefühle. — Über das Verhält-
nis zwischen Caroline, Schiller und Lotte bin ich ruhiger. Es war
etwas Unheimliches in mir, und ich habe mich mit Schiller schrift-
lich expliziert. Daß Lotte ihm nichts als Mittel gewesen ist, um
es möglich zu machen, mit Caroline zu leben, ist mir sehr klar, aber
die Indelikatesse, die ich ihm schuld gab, fällt weg, wenn sich Schillers
Herz ganz entfaltet, wenn man seinen ernsten Willen sieht, Lotte
dennoch so glücklich zu machen, als sie es je sein kann. — Seine
Briefe haben mir eine reinere Ansicht dieses Verhältnisses gegeben,
mein Bestreben ist nun nur darauf gerichtet, daß sich Schiller gut
im Anfang seiner Verbindung nimmt und alle seine Schritte kon-
sequent seien — sein Geist könnte ihm nur zu leicht, gegen Lotte
gerechnet, einen falschen Maßstab unterschieben, und Lotte ist eins
von den Geschöpfen, bei denen man gerade die kleinen Umstände nicht
vernachlässigen darf. Die Hochzeit ist gegen Fastnachten. Caroline
wird gleich nachher einige Wochen bei mir bleiben, Du fühlst, was

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