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[ Band 1 Brief 15: Humboldt an die Verbündeten Paris, 4. August 1789 ]
Genüge zu tun? Ich habe die Sprache nicht, das auszudrücken, aber die Liebe, mit der ich mich ihr nähere, ist mit einer so heiligen Rührung, mit einer Ehrfurcht vermischt, die ich bei keinem andern menschlichen Wesen empfinde. Und in dem allen ist so gar nichts Leidenschaftliches, jede heftigere Neigung schweigt in mir, es ist so ein sanftes, sich ewig gleiches Emporwallen der Seele, das sich in grenzenloses Entzücken verliert. Wenn ich dann fern von ihr bin und die Empfindung in mir zurückrufe, wenn ich kalt einzeln ent- wickele, was in ihrem ganzen Wesen mich bis zu diesem Gipfel der Wonne erhebt, so find ich mich nie getäuscht, so kann ich mir Rechenschaft geben von jeder, auch der kleinsten Nuance meiner Empfindung. Alles in ihr ist Natur, darum ist alles in ihr so innig vereint, so eins. Mir gab die Natur wenig, was ich von ihr empfing, zerstörte das Schicksal früh. So ist alles in mir durch eigene Anstrengung gemacht oder durch Lagen und Umstände hervorgebracht. Das fühl ich an der Kälte, die oft meine heftigsten Gefühle auf einmal zu Boden schlägt, an der Gleichgültigkeit, mit der ich in den meisten Augenblicken meines Lebens alle Dinge an- sehe, an der Leere, an der ich kranke. Laßt mich nicht weiter davon reden, aber laßt es Euch auch nicht bekümmern. Ich bin glücklich. Ihr liebt mich, ich kann vielleicht einmal andre glücklich machen. Wie lange ich noch hier bleiben werde, weiß ich noch nicht. Campe bleibt nur drei Wochen, und find ich indes keine interessante Bekanntschaft, so bleib ich auch nicht länger. Was soll ich in dem schmutzigen Paris, in dem ungeheuren Gewimmel von Menschen? Ich war nur jetzt zwei Tage hier, und beinahe ekelt es mich schon an. Von einer andern Seite hab ich doch aber eine angenehme Empfindung. Bei dem unaufhörlichen Gewirre, bei der unbeschreib- lichen Menge von Menschen verschwindet das eigene Individuum so ganz, kein Mensch bekümmert sich um einen, keiner nimmt Rücksicht auf einen, ja, man wird selbst so in dem Strom fort- 52