< zurück Inhalt vor >
[ Band 1 Brief 15: Humboldt an die Verbündeten Paris, 4. August 1789 ]
wieder. Wäre ich noch allein, aber so, immer umgeben von zwei mir sehr gleichgültigen Menschen, kommen meine Gefühle selten zur Sprache. Ihr wißt es wohl, daß ich mit Campe reise. Außer- dem aber hat Campe noch einen jungen Menschen bei sich, der mir oft beschwerlich wird. Campe selbst ist wirklich ein gutmütiger, sanfter, verträglicher Mann, dabei heiter und aufgeräumt, aber ein interessantes Gespräch kann es zwischen ihm und mir nicht geben. Seine Vorstellungsart ist so ganz verschieden von der meinigen. Sie — — doch warum verderb ich das Papier damit! Was macht Ihr, teure geliebte Seelen? Gewiß denkt auch Ihr noch oft sehnsuchtsvoll an die Tage in Burgörner zurück. In mir ruht sich jeder Gedanke daran. Stundenlang sitz ich schweigend und denke an Euch, rufe mir jedes Wort unsrer traulichen Ge- spräche zurück und bin glücklich in der Erinnerung der genossenen Freuden. NB. Nie bekümmert mich auch der Gedanke an Euch, selbst dann nicht, wenn ich bedenke, daß wir getrennt sind, uns nur so selten und dann nur so auf Augenblicke ungestört sehen. Ich kann kaum einen Augenblick bei diesen äußern Lagen verweilen. Daß unsre Seelen so innig miteinander verschwistert sind, daß wir so einerlei Gesichtspunkte, einerlei Richtungen haben, daß jeder so lebhaft in sich empfindet, daß das dauern, immer und immerfort wachsen wird, füllt meine Seele so ganz, daß daneben alles andre verschwindet. Gott! wie Eure Liebe mich beglückt. Und wir sahen uns noch so wenig. Könnten wir einmal länger miteinander leben, wie viele Seiten müßten sich da noch zeigen, die jetzt uns verborgen sind, wie mannigfaltige Genüsse würden wir uns da noch bereiten. Von jedem Anblicke hoher Schönheit hebt sich meine Seele zu Euch. Darum weide ich mich gern an den Reizen der Natur, an dem Anblick edler Gebäude, schöner Gemälde und Statuen. Was ist auch die Sinnenwelt anders als Schrift des Gedankens? 49