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[ Band 1 Brief 12: Caroline an Humboldt [Erfurt], Donnerstag, den 9. April 1789 ]
und wünsche nicht Deinem Charakter darüber eine andere Wendung zu geben. Du müßtest dabei verlieren, wenn etwas von den süßen Gefühlen Deines Herzens verloren ginge, und was verlören nicht wir? — Dank für die Briefe der Forster. Sie sind es wert, daß Du ein Studium daraus gemacht, aber Du kannst es auch nur allein. Für den, der sie nicht kennt, bleiben in dem Gang ihrer Ideen Lücken, die nur für diejenigen ausfüllbar sind, die sie näher beob- achtet haben. Doch war jeder Gedanke, den ich verstehen und in dem ich ihr folgen konnte, mir äußerst interessant. Es ist gewiß ein außerordentlicher Charakter von großem Gehalt und vieler Tiefe. Ich möchte sie wohl kennen. Du glaubst, wir würden uns viel sein. Ich zweifle daran. Mein Wesen ist nicht zu Eindrücken auf solche, wie der Forster ihres ist, gemacht. Es würde über ihre Seele gleiten, ohne sie zu berühren. Ich glaube, ich würde sie mehr bewundern als lieben, gewiß aber mehr lieben, als sie mich lieben könnte. Ach, sie flößte mir auch Mitleid ein und ich weinte über sie, ich mußte es, ihr zweiter Brief griff in das Innere meiner Seele — »wohltätig kann mir keine Verbindung mit irgend einem menschlichen Wesen sein — Ihr gebt mir nichts.« Gott! mein Wilhelm, wie mich das er- schütterte, Du mußt es fühlen, der Du weißt, daß in diesem Geben und Nehmen des Herzens für mich alle und die einzige Seligkeit meines Lebens vereint ist. Wenn ich auf etwas neugierig wäre, so wäre es dem Gang nachzuspüren, den Theresens Herz nahm, gezwungen durch das Schicksal zu nehmen war. Ihre Religionsmeinungen haben für mich nichts Abstoßendes, nichts ist vermessener, als andrer Empfindungen despotisieren zu wollen, besonders über religiöse Gegenstände. Vielleicht verliert Therese einen großen Trost dadurch. In dem Gedanken einer ewigen Güte und Weisheit, die alles ordnete, löst sich manches 35