< zurück Inhalt vor >
[ Band 1 Brief 3: Caroline an Humboldt Burgörner 1788, den 24. August abends ]
stehen, und mein volles, volles Herz erleichterte sich durch Tränen; so stand ich versunken in Erinnerungen und mannigfaltigen Ge- fühlen, bis mich das Blasen des Postillons aus dem wachen Traum ermunterte; wenige Augenblicke darauf sah ich Dich, o mein Wilhelm, Du rittest so schnell, so schnell — hättest Du wissen sollen, daß ich Dir nachsah, bis ich auch nicht das mindeste mehr ent- decken konnte — doch es war recht gut, daß Du es nicht wußtest, es hätte Dich nur traurig gemacht. Es regnete heftig, ich merkte nur erst beim Nachhausegehen, daß ich durchaus naß geworden war. B.*) und mein Vater lachten mich aus, als ich ankam, aber es merkte niemand, warum ich hin- ausgegangen war, und mir war es tief im Herzen süßer Trost, Dich noch einmal gesehen zu haben. Nenne es Kinderei oder wie Du willst — mir ist eine beruhigende Empfindung davon im Herzen geblieben. Nie werde ich nun mehr in den Pappelgang gehen, ohne mir zu sagen: dorthinaus sah ich ihn zum letztenmal, und dann werd ich die Stunden zählen, bis ich Dich wieder an mein liebewallendes Herz drücke. Lieber Bester! daß man so lieben kann, wie wir uns lieben, das ist doch des Himmels bestes Geschenk, ist aller Tränen des Schmerzes, aller Leiden wert. Nur in solcher Liebe fühlt man sich lebendig in allen Kräften seiner Seele, erhoben über die Schläge des Schicksals und näher dem Urquell ewiger Liebe! Gott! ich danke, danke Dir für diese Stunden der Wonne, die Du Deinem schwachen Geschöpf gabest aus der Fülle meines Herzens. Dieses Überströmen meiner Seele ist Dir, der Du die Liebe bist, der schönste Dank. Ich trat einen Augenblick ans Fenster, so lieblich ging der Mond hinter dem Berge auf, meine Blicke hefteten sich gern auf ihn, auch sah ich den Wagen, ich sagte mir, wie Du vielleicht ——— *) Vermutlich Geheimrat Barkhausen, Stadtpräsident von Halle. 7