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[   Band 6 Brief 191:    Caroline an Humboldt     Rom, 31. März 1819   ]


bindlich. Aber wie hat er sich verändert! Kaum kennt man ihn
wieder, so mager ist er geworden.
Der Heilige Vater soll nach der ersten Unterredung mit dem
Kaiser ordentlich strahlend gewesen sein, und der Kaiser sehr heiter.
Höflich waren die Römer aber nicht. Kaum nahm hie und da
einer seinen Hut ab, und von Vivatruf war gar nicht die Rede.
Metternich sagte mir, er fände Rom über all seine Erwar-
tung schön. . ..


192. Humboldt an Caroline                 Frankfurt, 2. April 1819

In diesem Monate, liebe Li, werden es also zwei Jahre,
daß wir uns nicht sahen. Wenn es auch vergangen ist,
liegt es als eine recht lange und recht freudlose Zeit da.
Es ist, wenn ich mich recht besinne, unsere längste Trennung gewesen.
Die, als ich von Rom wegreiste, dauerte wohl nicht voll zwei Jahre,
und im Kriege sahen wir uns doch einige Tage in der Schweiz
und nachher in Berlin. Ich freue mich, wie ich es gar nicht sagen
kann, auf Deine Zurückkunft, es geht mir ein neues Leben an,
und es ist mir, als hätte ich mich nie aus so tiefer Brust danach
gesehnt. Daß ich Dich Italien entreiße, bleibt mir immer ein tiefer
Kummer.
Du fängst einen Deiner Briefe an: Wo bist Du? Gute
Seele, Du kannst mich immer hier annehmen. Ich glaube noch
immer, daß mein Geschäft hier dem Staatskanzler viel zu früh
endigen, und er nicht wissen wird, was er hernach mit mir anfangen
soll. Denn jetzt ist es wohl außer allen Zweifel gesetzt, daß er
mit meiner Ernennung nichts auf der Welt bezweckt hat, als daß
man wüßte, daß ich angestellt sei, und daß er eine Art Scheu hat

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