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[   Band 6 Brief 178:    Humboldt an Caroline    Frankfurt, 12. Februar 1819   ]


ob ich denjenigen Grad der Unabhängigkeit besitzen würde, ohne
welchen diejenige Verantwortlichkeit unmöglich ist, welche E. M.
in Ihrer mir mitgeteilten ausführlichen Kabinettsordre vom
11. von jedem Departementschef und dem ganzen solidarischen
Ministerium mit Recht verlangen, und unter der E. M. gewiß
die Verantwortlichkeit für die Führung des ganzen Geschäfts,
nicht nur für einzelne Maßregeln, verstehen. Diese Unabhängig-
keit nun würde ich nur dann zu haben glauben, wenn E. M.
Willensmeinung in der Kabinettsordre vom 11. J. dahin ginge,
daß in keinem Verwaltungszweige ein Antrag bei Ihrer Person
als durch den demselben vorgesetzten Minister, oder nach Einforde-
rung seines Gutachtens, geschehen könnte, daß ebensowenig darin
von dem Staatskanzler als oberstem Chef der Verwaltung un-
mittelbar verfügt würde, und der Minister es in seiner Hand
hätte, seine Anträge jedesmal in der ihm nötig scheinenden Zeit
E. M. vorzulegen, da sonst der von Ihnen in der Kabinettsordre
vom 11. besonders anbefohlene schnelle Geschäftsgang nicht erreicht
werden kann. Beides wäre sowohl bei den eigentlichen Geschäften,
Verwaltungsmaßregeln und Gesetzentwürfen, als vorzüglich bei den
Stellenbesetzungen notwendig, sowohl bei denjenigen, welche das
Departement jedes Ministers betreffen, als bei denjenigen, wo, wie bei
den Rats-, Präsidial- und Oberpräsidialstellen in den Provinzen,
insofern E. M. nicht selbst unmittelbar zu verfügen geruhen,
die Anträge oder Gutachten von mehreren oder allen Ministern
mit ihrem Chef, dem Staatskanzler, ausgehen würden. Ohne in
meinem Geschäftskreis diese Sicherung zu haben, welche übrigens
dem Staatskanzler als oberstem Chef der Verwaltung die freieste
Befugnis ließe, Auskunft und Rechenschaft über jeden Gegenstand
zu fordern und dadurch die genaueste und ausgedehnteste Ober-
aufsicht und Kontrolle zu führen, gesteh’ ich E. M. frei und
unumwunden, daß ich mich nicht imstande fühlen würde, mich

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