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[   Band 6 Brief 175:    Humboldt an Caroline    Frankfurt, 5. Februar 1819   ]


besonders bitten, keinen Punkt zu lassen, ohne seine Meinung da-
bei zu bemerken. Trete ich nicht ins Ministerium, so werde ich den
Aufsatz, nur umgearbeitet, zurücklassen, damit man weiß, was ich
gewollt hätte. Der Aufsatz ist hier angefangen worden, ehe ich
die mindeste Idee meiner jetzigen Stelle hatte *). Aber ihn vollendet
zu haben, macht mir ordentlich die Brust frei. Schon in England
dachte ich immer, daß es eine Schande wäre, jetzt in das Vater-
land, mit oder ohne Stelle, zurückzukehren, ohne mit sich selbst über
die Verfassung im reinen zu sein, ohne darüber Ideen zu haben,
die nicht so fest wären, daß man sie nicht ändern könnte, aber fest
genug, um sich mit denen anderer messen und dadurch umgestalten
zu können. Ich habe mich auch in England sehr viel mit allem,
was dahin einschlägt, beschäftigt. Aber durch Steins Aufsätze ist
mir vieles erst eigentlich klar geworden, und das Schreiben hat das
Übrige getan. In den Grundideen, nämlich dem Hängen an
wahren Ständen als Korporationen, und in dem Abscheu gegen
die neuen französischen Verfassungen war ich immer einerlei Mei-
nung mit Stein, und selbst ohne mit ihm darüber zu sprechen. Er
geht nur manchmal auf diesem Wege und überhaupt historisch zu
weit. Es ist mir eine eigene Freude gewesen, dies mit ihm zu-
sammen zu machen. Wenn es nur besser damit geht, wie mit
einer gewissen Versammlung hier. Den Bund haben auch einzig
Stein und ich durch Arbeiten in Teplitz vorbereitet, und ohne
dieses erste Anstoßen und immerfort darauf Drängen wäre ich
wohl nie hier bei einer Eröffnung der Versammlung gewesen.
Allein es ist nicht unsere Schuld, daß es nun so geworden ist.
. . . Meine Handschrift ist so, daß ich Dein Talent und Deine
Geduld bewundere, mich zu lesen. Doch liest sich meine Hand-
schrift darum wirklich leichter als eine andere, daß man durch die

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*) Denkschrift über Preußens ständische Verfassung, veröffentlicht in
den Gesammelten Werken W. v. Humboldts.

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