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[   Band 6 Brief 96:    Humboldt an Caroline    London, 23. Junius 1818   ]


sagt, geglaubt zu haben, daß es nun vorbei sei. Denn hätten sie
ihn einmal niedergeworfen, so kam er wohl auf keine Weise mit
dem Leben davon. Es gibt nichts so Schreckliches als eine Pöbel-
masse. Die versammelten Tausende werden wie ein einziges, nur
einen Körper habendes unsinniges und bewußtloses Tier, und es
ist an keine Beschwichtigung und Verständigung mehr zu denken.
In der Regel aber, und diese ganz verworfene, meist bezahlte Masse,
die jetzt bei der Westminsterwahl zusammenläuft, ausgenommen,
weiß das englische Volk sehr gut die Schranke zu finden, selbst
jene Masse hat ihr richtiges Gefühl bewiesen. Denn seitdem sich
Hunt erlaubt hat, etwas ganz Schändliches auszusprechen, verhöhnen
sie ihn selbst, lassen ihn nicht zu Worte kommen und haben ihn
gleich zur Abbitte gezwungen. Es hatte ihm nämlich einer aus
dem Haufen, was wahr ist, vorgeworfen, daß er seine Frau ver-
lassen habe und mit einer anderen lebe, und Hunt hatte mit einer
Beschuldigung geantwortet, die das Schrecklichste hier ist, was man
sagen kann.
Das Interesse aber, diese Dinge zu sehen, ist hier allgemein.
Die vornehmsten Damen suchen hinzugehen.


97. Humboldt an Caroline                  London, 26. Junius 1818

Du hast also den Jahrestag Deiner Ankunft in Rom wieder
dort zugebracht? Es freut mich sehr. Was Du mir von
den Vasen sagst, hat mich ungemein interessiert. Die
Erde ist gewiß viel länger bewohnt, als man so gemeinhin denkt, und
viel Schönes mag in Nacht zurückgewichen sein. Und die ungeheure
Menge der Gestorbenen! Die ganze Erde ist eigentlich ihre Asche.

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