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[   Band 6 Brief 44:    Caroline an Humboldt     Rom, 22. Januar 1818   ]


44. Caroline an Humboldt                     Rom, 22. Januar 1818

Wir haben gestern den Karneval hier begonnen, meine geliebte
Seele, und nach so vielen Jahren, wo ich diese Rom so
eigene Belustigung ansah, war es mir unaussprechlich
rührend, an die Jahre zurückzudenken, wo ich mit Dir dies Ge-
triebe ansah. Die Kinder waren damals klein, jetzt sind sie groß
und nicht mehr um mich!
Ich hatte die Herz mit mir genommen, der es eine Erleichterung
ist, wenn man ihr die Wagen erspart, und deren Nähe durch die
große Freude belohnend ist, die sie an den Dingen nimmt. Sie
gefällt sich unaussprechlich hier und kommt mir dadurch noch
näher.
Stein hat Niebuhr einen Abschiedsbrief geschrieben, in dem
er, wie dieser mir sagt, auch mich grüßen läßt. Niebuhr hofft
indes, daß es eine seiner trüben Perioden sei, wie er deren schon
mehr gehabt. Ich habe schlimme Ahndungen. Das Frühjahr ist
mir sehr bedenklich bei dieser Art Übel.
Ach ja, wohl hast Du recht, von dem, was sehnsuchtsvoll
die Brust erfüllt, kann man beinah mit niemand reden. Ich sehe
zuweilen andere Leute darauf an, ob ihnen auch so zumute ist,
und mich dünkt, diese Empfindung hie und da geahndet zu haben.
In dem Vergehen der Zeit und des Menschen in ihr läge doch
etwas Wehmütiges, weil sie entwickelt, was hier keine Stätte findet,
wenn nicht die Ahndung eines Jenseits zugleich damit in das
Innere dränge. Ich habe Wilhelms und Gustavs Grab in Deiner
Seele gegrüßt, mein teures Herz.

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