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[   Band 6 Brief 1:    Humboldt an Caroline    London, 6. Oktober 1817, Brunets Hotel,   ]


die mindeste Gefahr einen Sturm, gerade so wie er sein muß, um
noch malerisch bleiben zu können. Schauer von Sonnenschein und
Regen wechselten ab, die zwar machten, daß das Schiff bald auf
diese bald auf jene Seite gelegt werden mußte, aber auch göttliche
Erscheinungen hervorbrachten. So waren zwei Regenbogen, von
denen der eine über den ganzen Himmel und in ununterbrochener
Klarheit sogar den zweiten reflektierten Bogen bei sich hatte und
nun an den Enden die Farben im schwarzen Meer schimmerten.
Gegen Abend war der Wind Herr der See geworden und nahm
zu. Es waren nun lange prächtige Wellen, die manchmal hinein-
schlugen, wir segelten sehr schnell, und das Schiff konnte auf einer
Seite liegend gelassen werden. Ich bin von 8 bis 11 den Abend
nicht vom Verdeck gekommen als soviel zum Essen nötig war, und
habe recht eigentlich das große Schauspiel genossen. Wie es Nacht
wurde, traten die Sterne und zuletzt der Mond hervor. Den
Mars sah ich in diesem Jahre zum erstenmal.
Die Gesellschaft um mich her war von der Sache nicht so
ergötzt. Fürchten zwar tat sich niemand, weil auch nicht die mindeste
Gefahr war. Bloß Friedrich meinte, es sei doch, selbst mit wilden
Pferden, auf einem Bock besser. Aber alle, der Kapitän, die See-
leute und mich allein ausgenommen, waren krank und übergaben
sich. Den Anfang machte eine Dame und bald darauf brach alles,
und es war sehr begreiflich. Denn das Schiff schwankte so, daß,
ob ich gleich stark in den Füßen bin, man nie gehen oder nur
stehen konnte, ohne sich anzuhalten. Ein eigen zur Aufwartung
bestimmter Matrose lief ewig mit Eimern und Waschleder herum,
und der Schiffsjunge mit dem Besen hinterher. Bülow wird seine
Geschichte Gabrielen wohl selbst erzählen. Es waren einige auf
dem Schiff, die in Ostindien und Amerika gewesen waren, allein
auch sie waren krank. Mich hat es sehr gefreut, es nicht zu werden.
Ich hätte das Meer gar nicht genossen, und ich schwöre Dir, daß

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