< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 4 Brief 140:    Caroline an Humboldt     Wien, 14. März 1814   ]


Tod für unvermeidlich hielt. Gegen Morgen fragte sie nach der
Zeit, und wie ich ihr sagte, der Morgen dämmerte, so schien sie
mich nicht ganz zu verstehen und erwiderte: »Ach will denn diese
Nacht nie enden«. Da sie wirklich einen wahren Todeskampf litt,
und ich mir die tiefere Nacht dachte, die sie nun bald decken würde,
so kann ich Dir nicht genug sagen, was diese Sehnsucht nach dem
Licht und dieses Grauen vor dem Dunkel und der Nacht mich
ergriff.
Adieu, mein Herz. Ewig Deine Li.


141. Caroline an Humboldt                        Wien, 17. März 1814

Es ist mir noch gar nicht gut, mein liebes, bestes Herz. . . .
Seit gestern ist das Wetter nicht allein außerordentlich
milde, es ist auch der linde, versprechende Frühlingshauch
drinnen, der einem die tiefe, unaussprechliche Sehnsucht in der
Brust löst.
Ich habe mich in diesen Tagen, wo mein Kommen nach
Neapel wieder jährig wurde, doppelt hingesehnt, und gleichsam wie
überströmt und überstrahlt von dem Zauber jener Natur, in mir
der Erinnerung gelebt. Werd’ ich sie wiedersehen? Werd’ ich
Rom wiedersehen und die teuren Gräber meiner Lieben, und die
zauberisch beleuchtete Gegend, wenn Berge und Täler und Meer
in den Gluten der Abendsonne erglänzen und eine Klarheit am
Himmel sich auftut, die ich noch nie wo anders gesehen habe? Wie
herrlich standen und zeichneten da sich die Zypressen von Villa
Mellini!
Es gibt so gewisse Tage, die einem vorzugsweise in der Er-
innerung bleiben, und so mir unter anderem ein Abend in der Villa

                                                                       273