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[   Band 4 Brief 133:    Humboldt an Caroline    Chatillon, 23. Februar 1814   ]


aus Wien, wo Du zu einsam und einförmig lebst. Dies Jahr muß
uns, wie auch die Umstände sich fügen möchten, wieder zusammen-
führen.
Mich, süße Seele, behalte hübsch lieb, wie Du jetzt tust, hege
mich, wie jetzt, mit Nachsicht. Ich bin fortwährend tief gerührt
über den unendlichen Segen, den Du über mein Leben ausgegossen
hast und dann noch dankbar für jede Freude, die Du mir, außer
dem Glück des Lebens, das, wie das Leben selbst so in einem
Strom hinfließt, manchmal mit so unbeschreiblicher Güte machst.
Ja, so lebe ich nur in mir, in Dir, in den Kindern, in Ideen, die
aber wieder mit Euch zusammenhängen, so klage ich mich manchmal
selbst an, daß mir alles andere manchmal zu fremd ist, aber der
Mensch kann seine Natur nicht ändern, und mein Handeln ist
darum doch gleich, da, das einzige, was ich gewiß von mir sagen
kann, kein Mensch eine solche Gewalt des Willens über sich selbst
besitzt; ich bin von Kind an so gewesen, ich habe Ideen, Grillen,
Launen, deren ich mich vom vierten Jahr an besinne. Die Zeit
macht mir alles lieber und treibt mich nur, immer in noch engerem
Gleise zu wandeln, wie ich von jeher gewandelt bin. Ich weiß,
daß ich Dich sehr und unendlich liebte, als wir uns heirateten.
Aber ich fühle, daß ich Dich jetzt noch mehr liebe, und gewiß
mischt sich doch darin kein Gefühl der Schwäche oder Bedürftig-
keit, die mir in allem, was das Gefühl betrifft, gewiß ganz
fremd sind.
Lebe nun wohl, mein süßes, teures, einziges Kind. Theodor
denkt gewiß dieses Tages mit Innigkeit. Umarme die holden
Mädchen, die gute, liebe Li und Hermann.
Ewig mit der innigsten Liebe und Sehnsucht Dein H.

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