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[   Band 4 Brief 116:    Humboldt an Caroline    Basel, 16. Januar 1814   ]


mal einen Brief von Wolf *) erhalten, einen der sonderbarsten,
die man sich denken kann. Er ist wieder durchaus unzufrieden mit
seiner Lage in Berlin, sagt, daß er in ihr nicht tätig sein könne,
daß sie ihm unerträglicher als der Tod werde, daß sie seine Ge-
sundheit untergrabe.
Allein noch sonderbarer als der Brief ist folgende Nachschrift,
die ich Dir wörtlich abschreibe:
»Vielleicht ist es Ihnen angenehm, von mir selbst zu hören,
 daß vor einem halben Jahr meine Frau auf einem Gute eines
 ihrer Schwiegersöhne in Westfalen gestorben ist, und jetzt auch
 meine jüngste dritte Tochter verheiratet, alle drei im eigentlichsten
 Sinne glücklich, so daß ich nur der einzige Unglückliche bin.«
Wolf hatte immer eine solche Unmäßigkeit und Heftigkeit in
allem, was er trieb und verlangte, und einen solchen absoluten
Mangel an aller Haltung und Grazie, daß ihm nie und in keiner
Lage zu helfen ist.
Lebe wohl, geliebte Seele. Ewig Dein H.


117. Humboldt an Caroline              Basel, 18. Januar 1814

Ich habe heute, süße Li, Deinen lieben Brief vom 13. be-
kommen und danke Dir immer aufs neue für diese Regel-
mäßigkeit Deines Schreibens, die die traurige Abwesenheit
so erhellt und erheitert.
Lord Castlereagh **) ist heute angekommen. Die großen Berat-
schlagungen und Vereinigungen so vielfacher Interessen können

———
*) Friedrich August Wolf, geb. 1759, † 1824, der berühmte Philologe,
war durch Humboldt an die Berliner Universität gekommen.
**) Vgl. S. 214.

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