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[   Band 3:    Überblick   ]


lichkeit anderseits bewirkten, daß Humboldt der Posten als Minister
des Innern, als welcher allein er ungehemmt seine Ideen hätte
verwirklichen können, vorenthalten wurde. Beim König, der
Humboldt persönlich schätzte und liebte, war es wohl hauptsächlich
die Sorge, daß Humboldt, um dem Kultus, damals eine Sektion
im Ministerium des Innern, vorzustehen, nicht religiös genug sei.
Jetzt kennen wir Humboldt aus der tiefsten Seelenzwiesprache
mit Caroline anders als seine Zeitgenossen, denen oft die
Übermacht seines alles beherrschenden Verstandes in eisiger Kälte
entgegentrat und sein tiefes Empfinden verhüllte. Wer könnte
heute Wilhelm von Humboldt Religion absprechen? Ist nicht be-
ständiges ernstes Arbeiten am eignen Selbst Frömmigkeit? Ist
nicht diese stete Richtung des ganzen Seins auf das Ewige und
Höchste Religion? Liegt nicht hier die Quelle der Milde, der
Treue, der Geduld und des heitren Muts, wie Humboldt sie in
jeder Lage des Lebens bewies? Nur freilich kirchlich war Humboldt
nicht, aber er hatte die zarteste Duldung für alles, was anderen
Individualitäten heilig war, er besaß das tiefste Verständnis für
den Zweck und den Segen des Gottesdienstes, er würde auch dafür
auf das beste gesorgt haben, sehen wir ihn doch zum Beispiel
eingehend und erfolgreich mit der Pflege der Musik beschäftigt,
obgleich ihm gerade hierfür der Sinn ganz verschlossen war.
Das größte Opfer, das seine neue Stellung von ihm verlangte,
war die Trennung von Caroline. Ihre Übersiedelung nach Berlin
war zunächst unausführbar, da Humboldts Bleiben dort ganz un-
gewiß schien.
Mitte April 1809 war er durch die Geschäfte genötigt, auf
unbestimmte Zeit nach Königsberg zu gehen, wo der Hof und die
Minister weilten. Hier ward ihm die Unhaltbarkeit des Alten-
steinschen Ministeriums, der nur halb ausgeführten Verfassung
und damit auch die Unsicherheit seiner eigenen Lage völlig klar.

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