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[   Band 2 Brief 115:    Caroline an Humboldt     [Paris], 12. November 1804   ]


Schickung gegebenes Kleinod, und sie ist dahin, ach, und war so
schön, so lieb. Nachts suche ich sie in meinem Bett, und das Er-
wachen und die völlige trostlose Gewißheit, daß sie nicht mehr da
ist und nichts sie mir zurückgeben kann, ist fürchterlich. Dann befällt
meine Brust die vereinte Angst der Stunden, in denen ich sie und
Wilhelm habe verscheiden sehen, und ich versinke in ein dumpfes
Sinnen, ob sie irgendwo vereint sind, die ein Schoß trug, die eine
Brust nährte. Ach Wilhelm, wenn ich nur erst wieder weinen kann
bei Dir und meine süßen, kleinen Mädchen im Arm habe. Küsse
sie tausend-, tausendmal.

 
116. Caroline an Humboldt                      Paris, 19. November 1804

Man hat hier einige beunruhigende Nachrichten über eine
Krankheit in Livorno *) verbreitet, und ich kann Dir nicht
sagen, wie sehr es uns ergriffen hat. Meine Phantasie
ging sogar so weit, mir auszudenken, was ich mit den beiden Kindern,
die ich bei mir habe, auf den Fall machen wollte, wenn es Toll-
kühnheit wäre, sie mit nach Italien zu nehmen. Kohlrauschens treuer
Sinn ist mir in unsern Gesprächen darüber wieder recht klar geworden,
denn beim ersten Wort sagte er gleich: »Es sei wie es sei, ich gehe
nach Rom und stehe Humboldt und den Kindern bei.« Ach, Gott
wird so etwas nicht über mich verhängen; ich glaube, ich ginge zu-
grunde, wenn eine Gefahr der Art über Euch schwebte und ich sie
nicht mit Euch teilte.
Adieu, geliebtes Leben. Jetzt bist Du wohl wieder in Rom,
und künftigen Dienstag oder Mittwoch erfährst Du wahrscheinlich
den Tod unsrer süßen, süßen Louise. Ach Gott, wär ich bei Dir!

———
*) Ausbruch des Gelben Fiebers.

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