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[   Band 1 Brief 108:    Humboldt an Caroline    [Berlin], Donnerstag, 16. Dezember 1790   ]


was ich durch Dich ward, sieh in mir diesen Reichtum, diese
Schönheit meiner glühendsten Gefühle allein das Werk Deiner
Liebe. Ewig wirst Du ebenso es empfinden, von Stufe zu
Stufe wirst Du mich steigen sehen durch das, was Du in mir
schufest . . . . .


109. Caroline an Humboldt   [Erfurt], Donnerstag, 16. Dezember
                                            1790, abends 11 Uhr

Noch einen Augenblick, mein Bill, muß ich zu Dir, wie ich
von Bellmonts zurückkomme, wo ich zur Nacht aß. Ach,
welch ein unbeschreiblicher Abend war der heutige — die
Worte versagen mir, und doch wogt es zu heftig in meinem Herzen,
als daß meine Gefühle nicht gegen Dich ausströmten. — So be-
wegt war ich schon diesen Morgen, als ich mir beim Erwachen
sagte: »Das ist der Tag, an dem du ihn vergangen Jahr nach einer
langen, schmerzlichen Trennung wiedersahst.« Kaum hatte ich den
Brief an Dich zugemacht, als die Einladung auf den Abend kam.
Ich zitterte, als ich dem Bedienten die Antwort gab, ich würde
kommen, und freute mich den ganzen Tag —— ach, mit solch einer
wunderbaren Freude. Endlich kam die Stunde, hinzugehn. Ich
blieb frei vom Spiel und konnte in den Zimmern herumgehn und
mich in dasselbe Fenster stellen, wo Du mir zuerst von unsrer
Verbindung sprachst. Gott, aber wie mir da wurde! Noch um-
flüsterte mich der Ton Deiner Stimme, noch wähnt ich aus Deinem
Munde die Worte zu vernehmen, daß nicht eigentlich Liebe mir
Deine Hand anböte, aber der innige Wunsch, mich glücklich zu
sehen. »Wirst Du es mit mir sein können, Lina?« setztest Du
hinzu. Das tiefe Gefühl der Wahrheit entriß mir das schnelle
»Ja«. »So sind wir von jetzt an vereint,« erwidertest Du. Ich
schwieg, ich sagte Dir, glaub ich, daß wir den andren Morgen bei

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