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[   Band 1 Brief 87:    Humboldt an Caroline    [Berlin], Sonntag abend, 31. Oktober 1790   ]


ich’s tue, und wenn mir das freilich auch in meiner jetzigen Lage
lieb ist, so ist’s mir auch unlieb, weil es mir der Arbeit mehr
bringt und mir das Entfernen von allen Arbeiten einmal erschweren
wird. Und doch denk ich mir dies Entfernen jetzt mehr als je. Ich
fühle es wohl, daß ich schon jetzt recht nützlich bin in gewisser Art,
und es künftig in einem eigentlichen und größeren Wirkungskreise
sehr sein könnte. Aber was ist dieser Nutzen gegen den, den man
stiftet, wenn man in ungebundener Geistesfreiheit nur sich und den
Menschen lebt, an die man durch Liebe geknüpft ist. Und da rauben
die Geschäfte unendlich. Erst so viel Zeit, dann Stimmung, sie
machen Kopf und Charakter platt, weil sie beide so auf die ge-
wöhnlichen, allgemein geltenden Ideen herunterziehen, weil man so
viel Mechanisches verrichten muß, höchstens der Scharfsinn geübt
wird, und weil die Idee des Nutzens, der aufgewandten Zeit und
der Quantität der fertig gemachten Arbeit eine so leere Eitelkeit
gibt. Diese erniedrigenden Folgen fürchte ich ewig auch bei mir,
und wenn dann der Gedanke mir kommt, ich könnte dadurch ein-
mal noch weniger sein, als ich jetzt bin, noch weniger wert, in der
Liebe meiner Li zu leben, dann wird mir sehr trübe.
Die Arbeit gibt mir auch an sich keine Freude. Äußere Vor-
teile strebe ich nicht dadurch zu erreichen, ich hätte nie ehrgeizig
werden können, und in sich freut mich selbst die Güte der Arbeit
nicht. Denn auf der einen Seite weiß ich doch zu gut, was auch
das Ideal einer solchen Arbeit wäre, als daß ich mir je genügen
sollte, und auf der andern haben die Talente, die zu diesem Ge-
nügen erfordert würden, keinen innern Wert in meinen Augen.
Die interessantesten Sachen sind freilich Kriminalsachen, und ich
arbeite fast nichts als die. Aber da muß man nun von dem
Charakter so eines Unglücklichen reden und räsonnieren, so war er,
und so war er nicht, und darum ist er nun so und so schuldig.
Da komm ich mir immer wie ein Kind vor, das über die Hand-

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