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[   Band 1 Brief 53:    Humboldt an Caroline    [Berlin], den 8. Juni 1790   ]


umfassen, war’s auch kein Mensch gerade, irgend eine Beschäftigung,
eine Idee, und dann ist die Seele doch immer gefüllt. Aber schon
wieder von mir.
. . . . Jette ist jetzt so ganz zufrieden mit mir, die Dinge,
worin ich mich, wie sie sagt, geändert habe, und die nicht nach
ihrem Sinn sind, ist sie gewohnt, behauptet sie, und sonst sieht sie,
daß ich sie liebe. Brendel ist wie immer, ein vortreffliches, tiefes
Geschöpf, unendlich anspruchlos, nur leider nicht fein genug. Oft
freilich liegt der Mangel an Feinheit nur in ihrem Ausdruck, ihrem
Äußeren, aber manchmal auch tiefer, und dann hat sie doch auch
keinen recht weiten Ausblick der Seele. Ganz herzlich kann ich
nicht mit ihr sein, es stößt mich manches, und mein Gefühl findet
nicht Nahrung genug. Sie sagt immer, sie versteht mich nicht,
kennt mich nicht mehr, aber sie hat mich gern, wie sie mich sieht,
und liebt mich. In Dir, Lina, ist das Gefühl doch nicht? O! Du
verstehst, Du kennst mich doch? Carl klagt auch darüber. Ich
soll oft anders erscheinen als ich bin, oft so und anders mich
äußern. Das ist freilich wahr. Allein warum mißversteht man
mich denn? —
Deine Trennung von Dalberg tut mir weh. Ich fühle sie
mit Dir. Er ist ein unendlich großes und schönes Wesen. So viel
Güte und Feinheit und Grazie, und nun auch Größe, wenigstens des
Geistes, und des Charakters doch gewiß auch immer da, wo nicht die
Güte ihm Festigkeit raubt. Sag ihm manchmal ein Wort von mir.
Grüße die gute, liebe Caroline! Wann werd ich ihr schreiben?
Alexander grüßt. Er ist wohl und vergnügt in London. In jedem
Brief schreibt er viel von Dir.
Nun leb wohl, teure Lina, und antworte mir ja recht bald.
Leb wohl!

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