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[   Band 1 Brief 3:    Caroline an Humboldt     Burgörner 1788, den 24. August abends   ]


mit sehnendem Blick an beiden hingest; o mein Lieber, hätten sie
Dir zuwinken können, wie ich so ganz Deiner dachte.
Ach ich möchte, daß es morgen abend wäre, damit ich Dich
wieder in Göttingen denken könnte — ich fürchte doch immer, das
scharfe Reiten taugt nicht für Deine Gesundheit. —

Den 25.
Nun ist es Abend. Ich hoffe, Du wirst glücklich angekommen
sein — bis ich es erfahre, zähl ich die Stunden. Ich habe es
gern, zu wissen, wo meine Lieben sind, um ihnen nachrechnen zu
können; ach, es gehört mit zu meinen Leiden, daß ich nicht weiß,
wo unser Carl ist; meine Ideen schwärmen unstät umher und
können sich an nichts festhalten. Doch er sei, wo er wolle, so
denkt er unser.
Lieber! Dein Blatt hat mir viel Freude gemacht. Laß Dich
dafür im Geist an meine Brust drücken und Dir danken mit
Tränen der Liebe.
Deine Ideen sind ganz übereinstimmend mit den meinen,
meine Seele nährt sich mit diesen Hoffnungen der Zukunft, und sie
allein geben ihr Ruhe und flößen ihr Stärke ein — ich weiß wohl,
daß Carl nicht will, daß ich mich daran hängen soll, aber er hat
unrecht, wenn er glaubt, daß ich über den Gedanken der Zukunft
die Gegenwart vernachlässige. Es ist mein ernster Wille, treu und
unbefangen die Pflichten zu erfüllen, die mir obliegen, ach, und
ich würde ermatten, wenn man mir den Gedanken, die süße Hoff-
nung einer ewigen Vereinigung nähme — ich begreife nicht, wie
Carl mit seinem unendlich liebenden Herzen den Gedanken aus-
denken kann, ohne vor ihm zurückzuschaudern.
Wenn ich ihn so oft in stummer Entzückung, wie gestern noch
Dich, an meinen Busen schloß, und es mich dann auf einmal er-
griff — dies Gefühl der reinsten Liebe, diese unaussprechliche
Wonne, diese Empfindung, nicht unwert eines höhern Wesens, sollst

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