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[   Band 1:    Einleitung   ]


jährige Kunth, ein kenntnisreicher Mann bester Gesinnung, nur allzu
nüchtern und ernst. Er gewann großen Einfluß im Humboldtschen
Hause und blieb auch, nachdem die Söhne es verlassen hatten, bei
Frau v. Humboldt bis zu deren Tode. In späteren Jahren wurde er
durch Steins Freundschaft ausgezeichnet, bewährte sich im Staatsdienst
und starb 1829 als Geheimer Staatsrat. Unterricht gab er den Knaben
nicht, aber er zog die besten Kräfte zum Privatunterricht heran.
Den Hauptanteil an seiner wissenschaftlichen Bildung schrieb
Wilhelm v. Humboldt selbst Johann Jakob Engel zu, dem späteren
Erzieher des nachmaligen Königs Friedrich Wilhelm III. Ihm
dankte er vor allem die frühe Liebe zu den Griechen, die schon
seine Kindheit verklärte.
Da alle Lehrer der Humboldtschen Brüder dem Lessing-
Mendelssohn-Nicolaischen Kreise angehörten, so war es nur natür-
lich, daß die heranwachsenden Jünglinge auch gesellschaftlich dort
eingeführt wurden und teilnahmen an den Lesegesellschaften, in
denen man sich mit den neusten Erscheinungen der Tagesliteratur
beschäftigte. In diesem mehr geselligen Verkehr wurde auch dem
Bedürfnis der jugendlichen Gemüter nach Romantik Rechnung ge-
tragen. Hier übernahmen die Frauen die führende Rolle und riefen,
gewissermaßen als Gegengewicht zu der rein verstandesmäßigen,
trockenen Philosophie, um 1787 einen Bund junger Schöngeister
ins Leben, der sittliche und geistige Bildung, Übung der Nächsten-
liebe und Ausbreitung tieferer Menschenkenntnis zum Zweck hatte.
Die Urheberin dieses Bundes war Henriette Herz, Tochter
des portugiesischen Juden de Lemos und seit ihrem fünfzehnten
Jahre Gattin des reichen Arztes Markus Herz. Die angesehene
Stellung ihres Mannes und nicht zum wenigsten ihre wunderbare
Schönheit, die mit Gutmütigkeit und einem ungewöhnlich reichen
Wissen gepaart war, machten sie zu einer hervorragenden Er-
scheinung in der Berliner Gesellschaft.

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