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[   Band 7 Brief 144:    Humboldt an Caroline    Tegel, 14. August 1826   ]


und in mir ist mein Leben eigentlich geschlossen, kein Vernünftiger
kann gerade immer nur so denselben Knäuel weiter aufwickeln
wollen, wenn sich doch nichts gerade Neues oder innerlich oder
äußerlich Bedeutendes entspinnen kann. Auch zieht es einen ge-
wissermaßen hinüber, und ein scheinbar streitendes Gefühl löst sich
in ein schön harmonisches auf. Man sehnt sich zugleich nach Ruhe
und nach Streben ins Unendliche. Aber die Ruhe ist nur Freiheit
von irdischem Treiben, und das Streben ist das leichte, geistige,
was ohne Beimischung von Müdigkeit und Verwirrung bleibt.
Dann vereinigen sich auch die Bilder der Erde und des Himmels
so schön. Die Erde bietet ihren Schoß zur Ruhe, und der Himmel
öffnet seine Räume zu ungehemmtem Streben. Wer den Tod so
fühlt, dem wird er zu einer plötzlich erscheinenden sanften Lösung
des Lebens, und einer Lösung bedarf das Leben doch. Denn es
ist Fessel und Rätsel. —
Dem, der immer Barteln den Most holen läßt, hatten seine
neusten Verhältnisse eine etwas falsche Auffassung gegeben. Ich
habe den letzten Sonntag vormittag dazu angewandt, die
wieder ins rechte Gleis zu bringen, und da er sehr gut und auch
recht vernünftig ist, so ist es mir vollkommen gelungen. Es war
aber wirklich wesentlich, daß es geschah. Es ist etwas sehr wich-
tiges, über den Verhältnissen zu stehen und sie nur so wie ein
Spiel zur Übung der Kräfte anzusehen. Das fehlt dem, und auch
dem, der neulich so verstimmt war, ob er gleich in sich idealischer
ist. Beide *) greifen bisweilen so eisern in die Wirklichkeit ein.
Es hilft da doch, früh viel in Ideen oder Bildern gelebt zu haben.

———
*) Vermutlich Humboldts Schwiegersöhne.
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