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[ Band 6 Brief 179: Humboldt an Caroline Frankfurt, 15. Februar 1819 ]
Weise. Zwei Dinge bleiben mir ewig darin schädlich: Die Zu- sammensetzung des Ministeriums, und die gewiß schiefen Einlei- tungen, die schon zur Verfassung gemacht sind. Denn daß sie es sind, halte ich für ausgemacht. Dies, teure Seele, ist das Prognostikon, das ich mir selbst stelle, eine durch alle Umstände schwieriger gemachte Lage. Ich weiß nicht, ob Du weißt, daß die schöne Seele im Wilhelm Meister eine Fräulein Klettenberg von hier ist, die aber in dem Jahre 1750 schon 40 bis 50 Jahre alt war und längst tot ist. Von dieser gibt es einen Bogen geistlicher Gedichte, den Schlosser hat drucken lassen, die sich durch eine rührende Einfachheit und wirklich poetisches Feuer auszeichnen. Ein paar Verse, die sie in ihre Bibel geschrieben hatte, muß ich Dir doch abschreiben: Zuschrift aus der Ewigkeit, Brief von sehr gelehrten Händen, Du kannst alle Not der Zeit, alle bangen Klagen wenden. Der, der meinen Geist entzückt, den ich itzo noch nicht sehe, Hat aus der gestirnten Höhe mir die Zeilen zugeschickt. Ist das nicht unendlich hübsch? Bei der großen Einfachheit hat es in dem vorletzten Vers auch dadurch, daß der Reim hier, anders wie in der ersten Quartäne, unmittelbar dem vorigen folgt, einen eigenen Schwung. Etwas in ganz anderer Art und handschriftlich hat mir Schlosser auch mitgeteilt. Es ist von Goethe und heißt »Das Neueste von Plundersweilern«. Stellen waren mir schon bekannt daraus. Eine der hübschesten über die Ritterromane ist: Dem Pathos ist nichts zu vergleichen. Sie möchten gern mit hellen Scharen Aus ihren eigenen Häuten fahren, Doch sitzen sie darin zu fest, Drum es jeder bewenden läßt. Das Letzte ist in Gedanke und Sprache unendlich Goethisch. Über die altdeutsche Tracht sind auch ein paar gute Verse drin, so daß man sieht, daß sie schon ehemals ihr Wesen trieb: 484