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[ Band 6 Brief 37: Caroline an Humboldt Rom, 1. Januar 1818 ]
herein, das mit vieler Grazie seinen vollen Kranz vom Haupte nahm, aus dem es jeden ein Blatt ziehen ließ. Wir fanden nachher die Blätter auf eine recht hübsche Weise mit nicht ganz gewöhnlichen Neujahrsversen beschrieben. Die Idee war hübsch, sie freute alle. Gabrielle sah sehr lieblich aus und benahm sich mit vieler Grazie. Uns allen war es eine Überraschung. Thorwaldsen macht seinen Alexanderzug in Marmor. Er ist ihm von Sommariva *) in Mailand bestellt worden. Du kannst denken, wie er sich freut. Er hat ihm gestern zum Ankauf des Marmors 8000 Scudi bei Torlonia angewiesen. Der junge Schadow hier, der Bildhauer nämlich, ist in einem sehr bedenklichen Gesundheitszustand, allein seiner Gesundheit wegen müßte er im Frühjahr von hier weggehen. Sein Bruder, der Maler, mit dem ich bei Gelegenheit der Porträte genauer bekannt geworden bin, ist wirklich ein guter und liebenswürdiger Mensch. Rom und die Werke und Gebilde unsterblicher Kunst haben ihn ganz, aber auch ganz von der einfältigen Eitelkeit geheilt, mit der er damals bei uns in Wien war. Er ist hier katholisch geworden, und viele eifern deshalb gegen ihn, allein zu seiner und der Ent- schuldigung manches anderen, wie namentlich Overbeck **), der auch die Religion verändert hat, muß man sagen, daß diese jungen Leute eigentlich ohne allen religiösen Unterricht in die Höhe ge- wachsen waren — und nicht alle Menschen können das ertragen. Ich weiß von diesen beiden ziemlich genau und bestimmt, daß für sie das Katholischwerden eigentlich Christlichwerden gewesen ist. Dieser Wilhelm Schadow hat ein sehr liebevolles Gemüt, etwas ——— *) Graf Sommariva ließ den Alexanderzug in seiner Villa am Comer- see, jetzt als Villa Carlotta dem Herzog von Meiningen gehörig, in Mar- mor ausführen. **) Johann Friedrich Overbeck, geb. 1789, † 1869, das Haupt der »Nazarener«. 90