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[   Band 5:    Überblick   ]


betrachtet noch viel übler, als er aus der Entfernung befürchtet
hatte. In der Verwaltung heillose Verwirrung, im Finanzdeparte-
ment hoffnungslose Mißwirtschaft, und, was das Schlimmste war,
Hardenbergs Ansehen in den Grundfesten erschüttert. Humboldt
hielt die Steuervorschläge, die der Finanzminister Bülow, Harden-
bergs Neffe, vertrat, nicht für zweckmäßig und konnte von ihnen
keine wirkliche Besserung der schwierigen Finanzlage erhoffen. Er
fühlte sich verpflichtet, diesen Plänen mit der ihm eigenen Klarheit
und Schärfe entgegenzutreten. Seine Ausführungen riefen
leidenschaftliche Erregung im Staatsrat hervor. Er sprach auch
Hardenberg gegenüber in einem Schreiben vom 14. Juli 1817
offen aus, daß er seine Geschäftsführung nicht billigen könne und
in der jetzigen Lage der Minister die Stellung eines zweiten Kabi-
netts-Ministers, die ihm Hardenberg vorgeschlagen hatte, nicht an-
nehmen würde.
Es kann nichts Offeneres und Loyaleres gedacht werden, als diese
freimütige Darlegung und Beurteilung der Verhältnisse, aber die
durchgreifende Abhilfe, die Humboldt vorschlug: die Selbständig-
keit und Verantwortlichkeit, die er für die einzelnen Minister
und Oberpräsidenten forderte, griff allerdings die Stellung des
Staatskanzlers selbst an, und hierin fühlte sich Hardenberg per-
sönlich getroffen. Im Effekt liefen Humboldts Vorschläge auch
tatsächlich darauf hinaus, des Staatskanzlers Macht zu brechen,
nur kann nicht oft genug betont werden, daß Humboldt dabei alles
Persönliche völlig fern lag. Es war ihm allein um die Sache zu
tun, und er vermochte durchaus in seinem Inneren Persönliches
und Sachliches so zu trennen, wie es leidenschaftlichen und leicht
erregbaren Naturen unmöglich erschien. Hardenberg aber dachte
nicht groß und selbstlos genug, um sich mit der Stellung eines
Präsidenten des Ministeriums und des Staatsrats — »mit dem
Recht ohne alle Rücksicht auf Stimmenmehrheit im Ministerium

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