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[ Band 4 Brief 246: Humboldt an Caroline Wien, 23. Februar 1815 ]
wenn ich nur lebe, ich allem Bedeutenden, was bei uns geschieht, nahe sein muß. Jetzt, wo ich einsamer als sonst lebe, gibt mir das oft großen Ernst und große Wehmut. So, glaube ich, muß man die Dinge ansehen, und die wahrhaft Rüstigen, wie z. B. Grolman *), tun es. Faßt man solche Gesichts- punkte, so ist aber auch der Kongreß nicht anzuklagen. Denn be- kamen wir auch ganz Sachsen und doch noch sehr viel am Rhein, das einmal schlechte Prinzip in der Kriegführung der Alliierten blieb, und der kleine Zuwachs an Macht für uns machte es nicht aus. Wer glaubt, daß wir jetzt hätten Krieg führen sollen, hat zwar einiges für, aber vieles gegen sich. Grolman war immer der Meinung des Krieges jetzt. Er wollte ganz Sachsen und alles am Rhein, was wir besetzt hätten, einverleiben, den Leuten eine Verfassung geben und so hineinstürmen. Der gute Moment zum Schlagen war es wirklich, ich war selbst dafür, allein doch nur, weil ich immer leicht dahin komme, in wichtigen Unterhandlungen auf einer Forderung fest bestehen zu wollen. Dawider war für mich nicht sowohl der Umstand, daß wir wirklich alle gegen uns gehabt hätten und dann auf Rußland doch nicht so zu rechnen war, aber daß das Objekt des Kampfes mir unsre Sache nicht so stellte, als ich sie haben mag. Wir verteidigten nicht eigentlich das gekränkte Recht, sondern stritten um einen Besitz, wenn auch der König von Sachsen gestraft worden wäre, hätten wir denn auch den Krieg angefangen, wenn man uns Sachsen ganz gegeben hätte, aber alle anderen Unbilde, die fortbestehen, geblieben wären, wie jetzt? Gewiß nein. Es war ein Krieg um etwas zu Kleinliches. Glaube mir, bei einem Kriege jetzt hätte Preußen zuerst allerlei Vorteile gehabt, aber eine furchtbare Nemesis wäre aufgestanden. Man warte nur, das Maß des Schlechten wird schon voll werden, ——— *) Grolman war nach dem Pariser Frieden Generalmajor und Direktor im Kriegsministerium geworden. 484