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[ Band 4 Brief 177: Humboldt an Caroline London, 11. Junius 1814 ]
zwei Leute einzeln nach Haus. Der mich begleitete, war ein sehr braver Mann und hätte mich um alles nicht losgegeben. Aber von der Arbeit, auch so durch die Menge zu kommen, hat man keinen Begriff. Ein paarmal konnten wir uns nur helfen, indem wir hinten auf die Wagen stiegen. Die Illumination dauerte noch zwei Tage nachher und war über alle Beschreibung prächtig. London gefällt mir sehr. Die Reinlichkeit, die Frischheit der Gesichter und Körper, die Eleganz der Equipagen und das Be- queme und Gemächliche jeder Anstalt bekommt, in so großen, un- geheuren Dimensionen sich immer gleich, eine Art von Größe. Die Frauen sind wirklich sehr schön. Wie man in Paris die Größe der Stadt oft am Schmutz, an der Sittenverderbnis, der Armut bemerkt, so sieht man sie hier nur an dem, was reizt und Vergnügen macht, obgleich jenes gewiß, den Schmutz abgerechnet, auch nicht fehlt. Ich habe hier keine Arbeit, ich gehe auch nur in Gesellschaft, wenn ich muß. Sonst will ich nur die Kunstsachen und einige wissenschaftliche genießen. Gleich gestern habe ich ganz allein drei Stunden in Elgins Museum zugebracht. So hat niemand geraubt! Man glaubt, ganz Athen zu sehen. Von diesem Schatz hast Du keinen Begriff, und es ist mein ganzer Ernst, daß Du künftiges Jahr nach London gehen mußt, um das zu genießen. Seit langer Zeit habe ich zum erstenmal das Gefühl gehabt, mich recht dankbar zu freuen, daß ich erlebt habe, das zu sehen. Die Basreliefs *) sind zum Teil wunderbar erhalten, vier, sechs Köpfe ganz, ohne allen Schaden, und Gott, welche Größe, welch Leben, welche Formen, die tief in die Seele gehen. Außer den Basreliefs sind halbe und ganze Statuen, alle kolossal. Zwei Göttinnen, ganz bekleidet, die sich umfassen, und wo nur die Köpfe fehlen. Solche Arme und solche Gewänder sieht man nirgends. ——— *) Vom Parthenon in Athen. 348