< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 4 Brief 1:    Humboldt an Caroline    Prag, Freitag, 12. Junius 1812, mittags   ]


weiß, daß ich keinen Brief habe, und Metternich schickt mir den,
den er dann notwendig morgen bekommen muß, sogleich nach Karls-
bad, wo ich ja doch zwei Tage bleibe, nach. Ich glaube wirklich, daß
der Kleine *) gar nicht gefährlich war, als ich ging, allein das
Unglück hat mich ängstlich gemacht. Es war eine höchst widrige
Zusammenkunft der Umstände bei meiner Abreise. Aber ich habe
mich auch durch meine Gespräche mit Metternich überzeugt, daß ich
gut getan habe, den Zufall, der meine Abreise mit einer gewissen
Ankunft **) (Du verstehst mich) zusammentreffen ließ, nicht unbenutzt
zu lassen. Es sind dies die fatalsten Rücksichten, und sie waren
uns sonst so fremd. Dich berühren sie glücklicherweise gar nicht, und
auch mir wird jeder die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß ich
wenigstens mit soviel Einfachheit hindurchgehe, als nur immer
irgend möglich ist, und gewiß ohne persönliche Zwecke. Mein
Wünschen in jeder Art ist am Ende, und ich kann ehrlich sagen,
daß, wer mir, daß Du und die Kinder glücklich sein und mir so-
lange ich lebe, bleiben werden, verbürgen könnte, mich jeder anderen
Hoffnung und jeder anderen Furcht unzugänglich machte. Alles
übrige ist immer in jedem Moment rein in mir abgeschlossen, und
wenn ich dies Eine abrechne, kann kein Mensch mit einer so großen,
gewiß gar nicht gleichgültigen, aber so innig von allen den Grund-
sätzen und Ansichten, die sie hervorgebracht haben, durchdrungenen
Ruhe auf seine vergangenen und künftigen Schicksale, wie sie auch
sein mögen, hinsehen. Deiner immer gleich dauernden Liebe, und
was mehr ist als das, weil sie selbst daraus entspringt, Deines
Wesens, wie ich es immer mir gedacht, gesehen und erfahren habe,
bin ich jetzt, seit unserer letzten Wiedervereinigung, wenn es möglich
wäre, noch gewisser als sonst.
Ich bin gestern vormittag über zwei Stunden mit Metternich

———
*) Humboldts jüngster Sohn Hermann, geb. 1809.
**) Es ist nicht nachzuweisen, auf wessen Ankunft hier angespielt wird.

                                                                       2