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[ Band 3 Brief 164: Humboldt an Caroline Berlin, 16. Februar 1810 ]
gangenheit beschäftige ich mich ungern, weil ich allenthalben dem Gespenst meiner eigenen Irrtümer und Fehler begegne. Die Gegenwart ist natürlich ohne allen Reiz, und von der Zukunft kenne ich nur das einzige demütigende Datum, daß sie sich in jedem Fall ganz anders gestalten wird und muß, als ich es mir in meiner kurzsichtigen Weisheit vorgestellt hatte.« Hier folgen wieder uninteressante Tiraden. Dann geht es fort: »Sinnliche Genüsse haben, sei es nun durch das Zunehmen der Jahre, sei es durch meine innere Verstimmtheit (die doch gottlob mit keiner Er- schütterung meines physischen Wohlbefindens verknüpft ist) einen großen Teil ihres ehemaligen Reizes für mich verloren. Das sonst so wichtige Essen und Trinken spielt kaum noch eine Nebenrolle in meinem Leben. . . . Die sogenannte Sozietät ist mir dergestalt zuwider geworden, daß sie mich durch ihre Gewöhnlichkeit, durch ihre Einerleiheit erdrückt und verjagt. Daß ich mich zu keiner Arbeit entschließen kann, darf ich, nach dem bisher Gesagten, wohl kaum noch hinzu- fügen. Ich wünschte zu wissen, was ein so großer Seelenarzt, wie Sie (der Brief ist nicht an mich gerichtet) zu einem solchen Krank- heitszustand denkt, und ich habe Ihnen eine kurze, flüchtige, keineswegs erschöpfende Schilderung desselben gerade deshalb vorgelegt, damit Sie mir ein sachverständiges Gutachten, allenfalls von einem Rezept begleitet, zukommen lassen.« Was sagst Du zu Inhalt und Stil? Daß es mit einem Menschen, der so weit gekommen ist, sehr schlimm steht, ist offenbar, und die Ursache liegt, dünkt mich, auch am Tage. Es fehlte diesem Menschen immer an innerer Harmonie, er hatte eigentlich nichts Inneres, und sein Hauptzweck war, sein Streben ging immer nach außen und noch dazu auf eine äußere Tätigkeit, die nie fast nur zum kleinsten Teile von ihm abhing, den Genuß selbst bezog er auf nichts Inneres und Höheres, und so konnte es nicht fehlen, 338