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[ Band 3: Überblick ]
Leben in seinen verschiedensten Formen auszunützen, um das eigene Wesen zur höchsten Stufe der ihm erreichbaren Vollkommenheit zu führen. Nun forderte das Vaterland die Hingabe in äußerer Tätigkeit von einem, dem von Jugend auf »die Nichtigkeit des Wirkens, das Bleibende des Seins« ein unumstößlicher Satz ge- wesen, verlangte von ihm eine schöpferische Tat und versagte ihm doch die notwendige Freiheit zu gedeihlichem Wirken. Mit der objektiven Klarheit, die Humboldt charakterisiert, be- urteilt er sich selbst wie einen anderen, beleuchtet scharf die Vorzüge und Mängel seiner Natur, weiß genau, daß er mehr zum betrachten- den Leben geeignet ist, daß ihm zum Staatsmann der glühende Ehrgeiz, der Durst nach Ruhm, die Freude am Erfolg fehlt, daß man — um seine eigenen Worte zu gebrauchen — »nicht gleich- zeitig Zuschauer und Schauspieler sein kann«. Aus diesem Bewußt- sein sind zunächst die Zweifel geboren, die ihn fragen lassen, ob das, was er leisten wird, das Aufgeben seiner eigentlichen Existenz wert ist. Um Humboldt hierin gerecht zu werden, müssen wir uns ver- gegenwärtigen, was ihm und Caroline Rom, was beiden in ihrer idealen Ehe das Zusammensein, die fortgesetzte Arbeit am eigenen Selbst war, was endlich eine Trennung in damaliger Zeit bedeutete. Wir haben heute dafür keinen Maßstab mehr. Es war schließlich doch Vaterlandsliebe, die Humboldt zum Annehmen des angebotenen Postens bewog, einem anderen Lande als Preußen würde er dies Opfer niemals gebracht haben. Dabei erkannte er von vornherein die unglückselige Gebunden- heit seiner Zwitterstellung: als Geheimer Staatsrat war er zwar nicht dem Minister untergeordnet, aber auch nicht selbständig wie jener. Die Unabhängigkeit dieser Beamten beruhte hauptsächlich auf ihrer Stellung im Staatsrat, in dem sie die entscheidende Stimme haben sollten. Durch ihn hatten sie nach Steins Plan gleiche Rechte wie die Minister. Mit der Halbheit und Unent- X