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[   Band 2 Brief 43:    Humboldt an Caroline    Vitoria, 7. Mai 1801   ]


so schön kultivierten, so gut bevölkerten Landes, als es uns noch
nirgends vorgekommen war. Von Ondarroa aus verließen wir die
Küste, um landeinwärts einen kleinen Flecken, Marquina, aufzusuchen,
in dem ein paar Leute gerade sein sollten, an die ich gute Empfehlungen
hatte. Der Weg war auch dahin sehr schön, ein ziemlich enges Tal
an einem kleinen Fluß, mit lauter einzelnen Bauerhäusern und
sogenannten Ritterschlössern und vielen Eisenhämmern, bei deren
Schleusen der Bach hübsche Wasserfälle bildete. In Marquina
hatte uns der Graf Peñaflorida in San Sebastiano an sein Palacio
(wie man es hier nennt) gewiesen, um dort, weil die Posada schlecht
sei, zu wohnen, und wir zogen also wirklich um achte auf dem gräf-
lichen Palacio sehr Don Quixotemäßig ein. An der Tür empfing uns
der alte Verwalter des Grafen, der ihn und seinen Bruder ehemals
auf Reisen geführt hatte, in Paris gewesen war und uns, ehe er
nur unsre Pferde in den Stall bringen ließ, auf dem Flur seine
ganze Lebensgeschichte erzählte. Dieser Administrador schien dem
armen Bokelmann in die Glieder zu schlagen. Denn als ich den
Abend ein wenig ausgewesen war und zurückkam, fand ich ihn mit
entsetzlichen Kopfschmerzen, und die Nacht nahm es so zu, daß es
mir in der Tat bange wurde. Ich verordnete ihm aber ein Brech-
pulver, und dadurch brachte ich ihn doch in den Stand, daß er am
überfolgenden Tage weiterreiten konnte und er nun wieder ganz
wohl ist. Mir sind die zwei Tage, die wir da zugebracht haben,
sehr merkwürdig gewesen. Du kennst die Art der spanischen Häuser,
die Leere an Möbeln und Menschen, die da herrscht, und wenn
Du Dir nun dazu denkst, daß dieses Schloß von dem Ort eine viertel
Stunde entfernt allein in Wald und Bergen lag, so hast Du ein
Bild der melancholischen Stille, die da herrschte. Ich leistete teils
Bokelmann Gesellschaft, teils besuchte ich Leute in der Stadt. Dieser
Ort, der im tiefsten Innern der Provinz liegt, ist gerade der, wo
am besten Baskisch gesprochen wird, wo die Menschen am meisten

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