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[ Band 2 Brief 41: Humboldt an Caroline Bordeaux, 24. April 1801 ]
mann vom Städter unterscheiden soll. Vorzüglich haben die Frauen fast durchaus etwas Gedrücktes und Unbedeutendes in der Physiognomie. Auch gibt es keine wahre Fröhlichkeit unter ihnen, und Rousseaus Ausspruch scheint mir darin vollkommen wahr. Unter einer Menge Bücher, die Bokelmann bei sich hat, ist auch Lessings Sara Sampson. Da ich sie noch nie gelesen hatte, so hat mich die Neugier gereizt. Die ersten Akte kommen mir aber fürchterlich vor, zugleich matt und doch ungeheuer gewaltsam und so geschmacklos prosaisch. Sonst lern ich Baskisch und mache Fortschritte. Ich sehne mich sehr, Dich wiederzusehen, und verwünsche doch manchmal heimlich die biskaysche Reise. Diese Reise begreift hier niemand. Als wir die letzte Nacht unsrer Reise in Cavignac blieben, fanden wir unter der Diligence-Gesellschaft, die gerade auch dort übernachtete, zwei Spanier aus Bilbao. Der eine war das lebendigste Bild eines maurischen Spaniers, das ich je gesehen habe. Als er von meiner Reise hörte, schüttelte er ganz verdrießlich den Kopf und sagte immer: »Jesús! Que capricho!« Wenn man ihm von schönen Gegenden an der Küste sprach, sagte er immer: »Que! Son montañas« usw. Sein Begleiter war aber menschlicher. Er ließ sich viel ein und gab mir allerlei Nachrichten. Das Lustigste war, daß er schon von mir halbdunkel wußte. Er hatte nämlich gehört, daß bei dem Gesandten in Paris oft ein kurioser Deutscher esse, der nach biskayschen Wörtern frage, und wiederholte mir einige Fragen, die ich wirklich getan hatte. Du kannst also denken, wie man mich als ein Wundertier erst im Lande selbst behandeln wird. Adieu, Teure, Liebe. Leb herzlich wohl! 84