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[   Band 1 Brief 133:    Humboldt an Caroline    [Berlin], Sonnabend abend, 19. Februar 1791   ]


ich kam vorzüglich darauf zurück, daß es wenigstens nicht bei allen
eine Anknüpfung zuließe; bei Weibern am schönsten freilich, wenn
es gelänge; allein auch am schwersten. Er behauptete, sie sei immer
möglich und immer da, ich fühlte etwas Selbstiges in seiner Art,
zu empfinden, und ich ahndete, wenn er auch sein Weib überall
glücklich machte, so würde sie darunter leiden. Ich weiß nicht, ob’s
eingetroffen ist, und ich hoffe nein! Lolo nimmt alles leichter auf.
Mit Lili wär’s nicht gut gegangen. Wie die Sachen jetzt sind,
ist’s für Schillers Ruhe gut, daß er so empfindet. Er wäre minder
glücklich mit Lolo, und Lili und Dalberg — ich hab ihn schon oft
in innerer Seele bedauert. Allein ich verstehe auch Lili nun besser.
Wahrscheinlich hätte es diese Wendung nicht genommen, wenn
nicht Schiller sich so geändert hätte. Gewiß ist jetzt überall ein
wahreres Verhältnis. Denn das fand ich immer. Die Empfindung
ringt unaufhörlich, zerstört und schafft wieder, bis sie unabänder-
liche Wahrheit erreicht. Was man Untreue nennt, in den besseren
wie in den gewöhnlichen Seelen, ist das Gefühl, sie nicht gefunden
zu haben. Nur die beseligende Empfindung der Wahrheit verbürgt
die ewige Dauer der Gefühle. Wer empfindet das besser als wir
jetzt, teure, holde Li? Wo ist etwas Ewigeres, Unzerstörbareres,
als in unsrer heiligen Liebe? Alle unendlichen Freuden unsres Zu-
sammenseins fühlt ich wohl auch sonst, wenn auch immer in so
viel kleineren, nicht vergleichbaren Graden. Nur dies Gefühl der
Unvergänglichkeit in dieser Stärke und Schönheit war mir bisher
fremd! Die ganze Dauer unsrer Existenz hindurch wird es uns
beseligen, und dankbar werd ich ewig zu Dir aufblicken und Dir
sagen, daß Du mir das gabst!

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