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[ Band 1 Brief 133: Humboldt an Caroline [Berlin], Sonnabend abend, 19. Februar 1791 ]
133. Humboldt an Caroline [Berlin], Sonnabend abend, 19. Februar 1791 Einzig ist diese Zeit, Li. So nah unserm süßesten Glücke hat sie alle Wonnen bald erfüllter Hoffnung und alle Qual rastloser Sehnsucht. Wohl nennst Du unsre Zukunft ein einziges Leben; dies ewig gleiche Ringen zwei gleichgestimmter Seelen, alles Höchste und Schönste zu erreichen. Denn so wird’s doch in uns sein. Keine Stufe soll unerreicht, keine Blüte unge- brochen bleiben. Du fragst mich, ob ich es will, daß keine Stunde, kein Augenblick uns trenne? Ach! Li, ob ich’s will? Wenn ich mir denke, wie es mir war, wenn Du einmal hinausgingst diesen Sommer, wie mir das Herz so ängstlich klopfte, wie ich Gelegen- heit suchte, aus der Stube zu kommen, und wie ich Dich suchte durchs ganze Haus. Und wenn Du Dich nur anzogst des Mittags. Wie die Stunde zögerte. Und des Morgens, eh Du kamst! — Ach! ich Glücklicher in jenen wonnereichen Tagen. Wie ich mich damals fühlte, in welcher jugendlichen, schön aufblühenden Kraft. Wie ich empfand, daß der Reichtum, die himmlische Fülle Deines einzigen Wesens auf mich überströmte. Seit ich zum erstenmal an Deiner Seite in der Laube saß, war das die erste, reinste Freude, die Du mir schenktest, daß ich mich gehoben, größer, besser fühlte durch Dich. Versenkt in die Schönheit Deines Wesens, bildsam auf jeden leisesten Wink, Dich anbetend und kindlich Dich liebend, so dacht ich mich am liebsten zu Dir. Wie ich Dich tiefer sah, wuchsen diese Gefühle; wie ich mehr durch Dich ward, erhielten sie mehr Stärke und Selbständigkeit; wie ich ahndete, daß Du mich liebtest, ward ihnen alle Kraft des seligsten Genusses; wie ich nun weiß, daß Du nun eins bist mit mir, heben sie mich zu Höhen, die sonst kein Sterblicher erreicht. Aber immer bleibt sie sich gleich, diese Empfindung kindlicher Demut, reiner, anspruchloser Anbetung Deiner Schönheit. Nie wird sie hinwelken, diese zarteste, 413