< zurück Inhalt vor >
[ Band 1 Brief 116: Caroline an Humboldt [Erfurt], Freitag morgen, den 14. Januar 1791 ]
das kein Dasein hat, als das es von Dir empfängt, das empfind ich mich in jedem, jedem Moment, und mein Leben verschmilzt in Liebe und Dank. Sonnabend abend . . . Mit Papan habe ich auch eine kleine Unterredung ge- habt, um unsern Plan einzuleiten. Er frug nach Deinem letzten Briefe und ob Du denn gar nichts Mitteilbares schriebst? Ich sagte nein, es bilde sich aber eine Idee immer mehr in Dir aus. »Und welche?« frug Papa. »Den Dienst zu verlassen,« antwortete ich. Ich vermag Dir nicht zu beschreiben, mein Bill, wie verwundert Papa mich ansah, und wie er ausrief: »Bewahre Gott! Und was sprichst denn Du dazu?« Ich antwortete ganz gelassen: wie ich fände, daß der Dienst recht gut sei, wenn man aus den Verhältnissen, in die er einen brächte, seine Existenz machen wollte, wenn aber dies nicht der Fall sei, wie gewiß bei Dir, so sei die Zeit, die man darauf wende, so gut wie verloren, und Rückerinnerung an ver- lorene Zeit eine der unangenehmsten und ein sehr reeller Verlust sei, so wünschte ich sehr, daß Du Dich bald darüber ganz be- stimmen möchtest. Wirf mir nicht vor, mein Liebes, daß ich mit Papa in einem zu entschiedenen Tone sprach, denn das soll uns sehr zu gute kommen und ist in einer Unterhandlung mit Papa heil- sam und notwendig, denn räumt man ihm gleich zu viel Einfluß ein, so ist nachher des Hofmeisterns kein Ende. Papa hörte mich auch ganz aus und ging nachdenkend in der Stube herum. »Daß der Wilhelm«, fing er endlich wieder an, »doch auch gar keinen Sinn hat, sich zu poussieren, Wege einzuschlagen, die ihm zu schnellerem Avancement verhelfen.« »Ei,« sagte ich, »er hat und wird nie Sinn für die Sache haben, woher also der Sinn für die Mittel, und Mittel, die noch obendrein geradezu seinem Charakter widersprechen.« Das Bild *) erhob darauf seine Stimme und ver- ——— *) Ernst, Bruder Carolines. 364