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[ Band 1 Brief 87: Humboldt an Caroline [Berlin], Sonntag abend, 31. Oktober 1790 ]
87. Humboldt an Caroline [Berlin], Sonntag abend, 31. Oktober 1790 Ich bin heute nicht in Tegel, liebe Li, ich habe sehr viel zu tun. Es ist eine einzige Lage, in der ich bin. Brinkmann *) nennt mich immer den unverschämt Glücklichen. Hätte er mein Herz gesehen, er hätte es in diesem Sinne nicht gesagt, und ich weiß nicht, ob er vermocht hätte, es in dem zu fühlen, in dem es die höchste, schönste Wahrheit ist. Aber doch hatte er recht, alle äußern, noch so kleinen Umstände meiner Lage sind gut, müßten Freude geben, wenn das Herz nur Sinn dafür haben könnte, müssen wenigstens allen fremden, äußern, noch so leichten Kummer ent- fernen. Und dies tun sie; das ist es auch allein, was ich dem Schicksal danken will, daß es mir Freiheit gibt, zu empfinden, daß ich nicht bei Dir bin, meine Li, und keinen, keinen Schmerz zu haben, als den die getrennte Liebe mir gibt. Und wahr ist’s, von der Art, wie die Menschen über mich urteilen, wie sie mir ent- gegenkommen, wie sie alles, was ich ihnen etwa tue, so für un- erwartetes Geschenk ansehen, welche Vorzüge sie mir einräumen, das ist unglaublich und mir oft lächerlich —— immer gleichgültig, — wirklich gleichgültig; meinen innern Wert kann ich in ihrem Urteil nicht finden, und was ist es sonst, das ich sehr schätzen durfte? Ach! wahrlich, Li, wer ein Glück genießt wie das, was unsre Liebe uns schafft, der läuft nicht Gefahr, kleinlichen Eitelkeiten zu unter- liegen; es gibt ja für ihn nur das einzige, herzerschöpfende Gefühl, das ihn aus sich selbst in den Geliebten hinüberzieht, alle Kräfte des Wesens ausfüllt. Nur in meinen Geschäften ist mir diese Meinung der Menschen lieb, weil sie mich da teils weiterführt, teils mir die Arbeit erleichtert. Mit diesen Geschäften ist’s wieder so ein eignes Ding. Sonst dachte ich nie, daß ich gut arbeiten würde; ich habe doch eigentlich so wenig praktisches Geschick, und das gehört mehr dazu als Kenntnisse; nun sagen die Leute, daß ——— *) Vgl. S. 180. 261