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[ Band 1 Brief 64: Caroline an Humboldt [Burgörner], den 2. Julius 1790, ]
64. Caroline an Humboldt [Burgörner], den 2. Julius 1790, Freitag morgen Gottlob, daß Du keinen Schlafrock trägst, denn sonst war’s mit uns aus, lieber Wilhelm — die ganze Heurat wäre zurückgegangen, und das wäre doch schade gewesen. Schon als ein Kind von sechs bis sieben Jahren — denn damals hatt ich gewaltige Heuratsprojekte — nahm ich mir vor, keinen Mann zu nehmen, der im Schlafrock herumwanderte, und nun hatt ich Unbesonnene doch vergessen, mich danach zu erkundigen. Je l’ai échappée belle! Meine Antipathie gegen diese Tracht ist ohne Maß. Der Himmel lohne die Forstern — zwar aus dem Himmel macht sie sich nicht viel — also Du — Ich vergesse meine unumschränkte Gewalt und den Brinkmann- schen Orakelspruch: »Wenn sie es will!« mit dem ich freilich den Schlafrock auch ohne die Forstern hätte bannen können. Mais pour ne mettre jamais l’oracle en défaut, ne vaudra-t-il peut-être pas mieux ne pas vouloir, mon doux ami? — Ich studierte sonst viel die Physiognomik und ich erinnere mich, daß eine gewisse Art gerader Stirnen mir für das Zeichen eines sehr festen Sinnes galt. Sieh das Petschaft an, mit dem ich gesiegelt habe. Ist es nicht hübsch? Es ist eine Venus Victrix. Willst Du sie mir zur Schutzheiligen lassen? Ich ging heute früh mit Papa in dem Garten auf und ab und hatte die Schmidtin mitgenommen. Am Ende ist eine Laube. Ich sagte zu Papa, wegen der hübschen freien Aussicht auf den Kirchberg möchte er doch eine Bank hineinsetzen lassen. Er Ver- sprach’s. »Ich will«, sagt ich zur Schmidtin, als Papa ein paar Schritte entfernt war, »da des Morgens den Kaffee mit Humboldt trinken« — indem fiel es mir aber anders ein, und ich setzte ohne weitere Überlegung hinzu »nein, doch nicht, die Laube ist zu frei, man kann sich nicht küssen.« Es war einmal heraus. Die Schmidtin 189