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[ Band 1 Brief 44: Humboldt an Caroline Berlin, April 1790 ]
mein Dasein dennoch nicht zwecklos war, Liebe, an die ich mich an- schmiegen konnte, die meine Schwäche trug, in der ich meine Stärke sah. Denn ich mag nicht sagen, und ich täte mir unrecht, daß ich eine Stütze von außen brauchte, ich suchte nie etwas außer mir selbst. Die Stütze, die die Liebe mir gibt, ist das Gefühl, das es mir einhaucht, und so, Lina, hältst Du meine Seele auch dann, wenn Du fern von mir bist, würdest sie halten, wenn das Schick- sal mich von Dir risse und nur mein Geist Dich noch umschwebte. Diese Liebe, o diese Liebe, die ich nie erwartete, nie hoffte, die kein Wesen, keins je ahndete, die schenktest Du mir. Wie ich mich seit- dem höher und größer fühle, seitdem Du mich liebst, wie ich gleich- gültig werde gegen alles, was mich umgibt, weil Deine Liebe mir teurer als alles Denkbare ist. O! ich war geschaffen, zu leben in diesem Dahingeben meines Seins in fremdes Sein, geschaffen, be- glückt zu werden durch Empfindungen. Eine Empfindung. Wenn ich das sonst so glühend fühlte, dann schien es groß und gut in mir, aber ich fand mich auch so allein, denn rund um mich fand ich nichts, was meine Gefühle erwiderte. Selbst die, die mich liebten — o! sie gaben mir viel, aber sie erstickten nicht in diesem unruhig bewegten Herzen das Sehnen nach höherem, vollerem Genuß. Das konntest, das tatest Du allein, teure, einzig geliebte Seele. Nur in Dir fand ich Begegnung dieses ewig regen, ewig sehnenden Ge- fühls, nur Dir konnte ich erscheinen, wie ich war in mir, und nur in Dir fand ich mich wieder. O! ich habe keinen Namen für das Glück, das Du mir gibst. Sie ist auch verschwunden, jene ängst- liche Furcht, die mich nie hoffen ließ, auch Dich zu beglücken. O! ich fühlt es, fühlt es im Augenblick der Gegenwart, wenn mein Herz an dem Deinen klopfte, fühl es jetzt, getrennt von Dir, in jeder Zeile, die Du mir schreibst, Du bist sehr glücklich, bist es durch Deine Gefühle für mich. Und, Lina —! es ist wahr! wenn Du in mein Inneres schaust, 132