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[ Band 1 Brief 18: Caroline an Humboldt [Erfurt], den 14. Januar 1790 ]
die Dir auffielen. Bei Gott, vergleichen wollte ich nicht. Nein, meine Seele, dazu kannte ich uns alle zu gut. Aber, daß Stärke dazu gehörte, sich von dem einzigen Manne verkannt zu sehen, den man so unaussprechlich liebte, von dem man ebenso geliebt zu sein einen Augenblick gehofft und der Hoffnung entsagt hatte, ohne daß er dem Herzen weniger geworden wäre — das fühlt ich auch. Und wenn unser Verhältnis so gewesen wäre, wie ich es mir da dachte, so war doch das der Fall, so war ich doch durch Dein Schweigen, das nur infolge der Furcht, ich möchte es nicht tragen, verursacht sein konnte, verkannt. O Wilhelm, wenn es je einen Moment in Deinem Leben gibt, wo Du glauben kannst, daß ich nicht in Deinem Glück leben und weben und selig sein kann, so ist das der erste, wo Dein Herz dem meinen fremd geworden ist. Nun ist das alles nicht mehr, nun drücken Dich und mich keine Gedanken mehr, die unsre Glückseligkeit stören könnten, ich fühle Deine Seele in mir, ich empfinde mich selbst nur in dem Bild, das Du in Dir von mir trägst. Ich muß Dir noch eine Sonderbarkeit gestehen, mein Wilhelm. Eigentlich ist mir’s jetzt lieb, daß dieser trübe Augenblick in unsrem Verhältnis war. Es hat die Wahrheit unsrer Gefühle in ein höheres Licht gestellt — es hat es uns anschaulicher gemacht, was wir uns sind. Nein, meine Seele, ich könnte nicht mehr sein ohne Dich — der Gedanke einer Verbindung mit Dir ist meinem Herzen unentbehrlich geworden. Ruhe ist in mir, aber das bessere Leben, zu dem ich mich geschaffen fühle, lebt meine Seele nur bei Dir. Lotte und Schillers Hochzeit wird bald sein. Vielleicht ist sie gar hier. Ich arbeite daran, denn ich zweifle, ob mich mein Vater wird hinreisen lassen, und es liegt mir unendlich viel daran, bei Caroline zu sein. Sie will dann ein paar Wochen bei mir bleiben, und ich glaube, das ist gut für beide Schwestern — wie sonderbar hat das 68