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[   Band 1 Brief 18:    Caroline an Humboldt     [Erfurt], den 14. Januar 1790   ]


das, was in Weimar vorging, Dein Brief leitet mich noch einmal
darauf zurück. Mein Herz soll sich mit derselben Wahrheit wie
das Deine vor Dir entfalten. Du weißt, daß Caroline die Idee
einer Verbindung mit Dir seit dem ersten Moment, wo sie Dich
gesehen, aufgefaßt hatte. Ihre Briefe müssen es Dir gesagt haben.
Ich fühlte, daß ich Dich lieben, daß ich glücklich sein würde, aber
ich bestritt ihre Ideen, weil ich sie mit der Ruhe unsres teuren
Carls unvereinbar glaubte. Als wir in Burgörner zusammen
waren, beruhigte sie mich über diesen Punkt, da nahm eine andre
Besorgnis die Stelle der ersteren, »wird Wilhelm ein höheres
Glück in meinem Besitz als außer ihm genießen?« dachte ich —
»wird nie ein drückender Gedanke, durch unsre sonderbar verschlungene
Lage erweckt, in ihm rege werden?« — Du erinnerst Dich des
Morgens in der Allee — ewig unvergeßlich bleibt mir der Mo-
ment, wo Du mit Carolinen vor uns stehen bliebst und Dein in
Tränen schwimmendes Auge lange auf mich geheftet war. Ich
konnte es endlich nicht mehr aushalten und ging. Was könnte ich
Dir nicht alles über die Gefühle sagen, die damals in mir waren.
— Wir reisten nach Lauchstädt. Carl kam. Ich überzeugte mich
seiner Ruhe. Caroline sagte, Du liebtest mich, aber Du kenntest
noch nicht den ganzen Umfang meiner Gefühle für Dich, Deine
Briefe ließen dasselbe ahnen. Wie trug ich das alles in mir —
Gott! — in wie vielen schlaflosen Nächten, wo ich meinen Tod
für ganz sicher hielt, habe ich darüber geweint, daß ich sterben
sollte, ohne es Dir zu sagen, wie innig ich Dich liebte. —
Du kamst hierher, wir erklärten uns. Ich gestehe Dir, daß
in dem Moment, wo Du zuerst mit mir sprachst, der Ort, die
Menschen um uns, die Furcht gehört zu werden, mich so bestürzt
gemacht hatten, daß ich Dich nur halb verstand. Wir sahen uns
den andern Morgen, nicht allein — Du weißt, was Caroline mir
ist, aber für diesen Moment fühlt ich, daß ich hätte allein sein

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