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[ Band 1 Brief 10: Caroline an Humboldt [Erfurt], Donnerstag, den 29. Januar 1789 ]
verbittern könnte, und ich sah in gewissen Momenten, wie sein Herz um mich gepreßt und gebeugt war. — Einmal, nachdem er mich lange mit stummem Schmerz in seine Arme geschlossen und ich, in der unaussprechlichsten Angst um einen Tropfen Linderung flehte, weinen wollte und es nicht vermochte, ließ er mich still- schweigend los und, indem er einige Schritte von mir ging: »Gott, wenn sie nur glücklich wäre! wie ruhig könnte ich sein!« es ist mir, als setzte er das letzte hinzu, und in demselben Moment war es mir, als hätte man einen Schleier von mir weggezogen, und als entdeckte ich nun zum ersten Male die Wahrheit. In der folgenden Nacht dachte ich mir es alles vollständiger aus, nahm Deine und C[arls] Erzählungen zusammen, las seine Briefe, besonders die Blätter seines Tagebuchs nach, und es wurde mir immer wahr- scheinlicher, daß Jette allein, in jenem nur Seelen gewisser Art verständlichen Sinn dieser Worte, von C[arl] geliebt werden könne. Ich schauderte bei der Idee, durch meine Liebe und meine Leiden seine Ruhe zu stören. Nie, nimmermehr wäre mir der Gedanke der Möglichkeit bei diesen Umständen in den Sinn gekommen, wenn ich nicht C[arls] große Seele ganz kannte und wenigstens für Momente ganz aufzufassen imstande gewesen wäre. Dies machte mich nicht unglücklich, mir die Jette die Geliebtere zu denken, aber C[arl] um den Frieden seines Herzens zu bringen — ihn in mein Schicksal hineinzuziehen und seine Ruhe in die meine zu ver- flechten ———, ich konnte die Idee nicht ertragen. Einmal schien es mir ein Ausweg zu sein, aus der Verbindung zu treten, — aber Euch fremd zu werden? — dies hätte mir das Leben gekostet, und ich fühlte wieder, daß es Euch schmerzen würde und daß ich Eurem Herzen nah sei — in dieser Angst faßte ich den Entschluß, meine Hand ohne meine Neigung wegzugeben, Eure Ruhe durch Schweigen und ach, vielleicht erkünstelte Resignation zu sichern, und alle Kräfte meines Geistes auf die Erfüllung der neuen Pflichten, die ich 27